Spezielle Fördertechnik für Mammutprojekt
in den Alpen

700 000 t ausgesprengtes Gestein auf einer Höhe von 1700 m mitten in den Schweizer Alpen – das Mammutprojekt „Linthal 2015“ ist das mit Abstand größte Bauvorhaben der Kraftwerke Linth-Limmern (Bild 1). Ziel ist die Errichtung eines Pumpspeicherkraftwerks zur Stromproduktion. Um dies zu realisieren, werden seit zwei Jahren bis 600 m tief im Berginneren zwei Felskavernen (Bild 2) samt eines weit verzweigten Netzes an Zugangsstollen und Druckschächten ausgebrochen (Bild 3). 5,5 km Förderbänder sind derzeit im Einsatz, um das Material abzutransportieren. Da die Staubemission möglichst gering gehalten werden muss, nutzt das zuständige Unternehmen spezielle Fördergurtabstreifer, die dank der patentierten Twist-Swing-Funktion nahezu 100 % des Materials vom Band abnehmen und die Staubbelastung dadurch auf ein Minimum reduzieren.

Vor zehn Jahren wurde der PM-10-Standard festgelegt, eine Richtlinie, die Grenzwerte bezüglich des eingeatmeten Staubs definiert und seither zusätzlich zu den bis dato geltenden Vorschriften beachtet werden muss. Bei der Förderung riesiger Mengen Ausbruchmaterial wie beim Projekt „Linthal 2015“ spielt die Eindämmung der Staubemission eine bedeutende Rolle – zumal sich hier die Arbeiter bis zu 600 m tief im Berginneren befinden. Die Förderbänder werden daher im laufenden Betrieb rund um die Uhr mit Hilfe von Abstreifern gereinigt. Dadurch wird außerdem verhindert, dass Material am Band haften bleibt und nach und nach abbröckelt. In diesem Fall müsste der verloren gegangene Schmutz per Hand mit Schaufeln beseitigt werden.

 

Darüber hinaus führen unzureichend gereinigte Gurtbänder zu Verschmutzungen der Untergurtrollen, die dadurch auf Dauer beschädigt werden und ausgetauscht werden müssen. „Bei einer schlechten Abstreifleistung müssen wir die Bänder mit Wasser säubern, was das Fördermaterial aber schlammig und somit schwer transportfähig macht“, erklärt Ernst Kuster, Projektleiter der Firma Marti Tunnelbau AG, die die Förderbänder liefert. Außerdem mussten gemäß Vorschrift selbstverlöschende Förderbänder eingesetzt werden, deren Gummimaterial allerdings weniger robust ist. Um dennoch eine möglichst hohe Lebensdauer zu erzielen, ist wiederum eine gute Reinigungsleistung unabdingbar.

 

1 Abstreifer für Reversierbandanlagen klappen ­automatisch ab

Eine Herausforderung beim Projekt „Linthal 2015“ waren die engen Platzverhältnisse und eine Steigung von 25 Grad, was die Montage des gesamten Fördersystems besonders schwierig machte. „Um die Gurtabstreifer in der beengten Umgebung anbringen zu können, haben wir vor Ort eine verkleinerte Version entwickelt“, erklärt André Hanke, Vertriebsleiter für Fördertechnik beim Fördertechnikspezialisten Schulte Strathaus.

 

Die segmentierten Abstreifer kommen sowohl als Primär- als auch als Sekundärabstreifer zum Einsatz. Zum Entfernen des Fördermaterials dienen in den Segmentkern gesteckte Polyurethanfüße mit drehbar gelagerten Spezialspachteln aus Edelstahl mit Hartmetalleinsatz. Die einzelnen Segmente sind überlappend angebracht, sodass dazwischen kein Fördermaterial hindurchrutschen kann. Auf diese Weise wird eine optimale Gurtreinigung erzielt (Bild 4).

Die spezielle Form und Geometrie der Polyurethanfüße ermöglicht eine hohe Flexibilität. Diese ist Voraussetzung für die patentierte Twist-Swing-Funktion. Die einzelnen Segmente passen sich unter einem frei einstellbaren Anpressdruck optimal an den Fördergurt an und schwingen mit dem Bandlauf mit. Dadurch wird zum einen ein möglichst hohes Reinigungsergebnis erzielt, zum anderen wird der Verschleiß reduziert und der Gurt geschont (Bild 5). „Die üblicherweise verwendeten Leisten oder unflexiblen Abstreifer können die Unebenheiten des Gurtes nicht abfangen und lassen deshalb immer eine gewisse Menge an Fördermaterial durch“, erklärt Hanke.

 

Aufgrund des Platzmangels kommen im Projekt ­„Linthal 2015“ auch reversierbare Bandanlagen zum Einsatz, deren Förderrichtung bei Bedarf geändert werden kann. Dafür waren spezielle Reversierbandabstreifer erforderlich, die automatisch abklappen, wenn sich die Richtung des Bandlaufs ändert. An ihre Stelle rücken dann unmittelbar Hilfsspachtel, die für die jeweils andere Richtung vorgesehen sind. Auf diese Weise ist ein schneller Richtungswechsel möglich, ohne dass der Kontakt zwischen Fördergurt und Abstreifer verloren geht. Das An- und Abschwenken erfolgt automatisch durch die Reibung zwischen Gurt und Abstreifsegmenten, also ohne pneumatische, hydraulische oder elektrische Unterstützung.

 

Da besonders im Tunnelbereich eine perfekte Abstreifleistung sowie lange Standzeiten und eine einfache Wartung unabdingbar sind, hat sich das Abstreif-System unter dem Namen „Starclean“ mittlerweile zum Standard für die meisten Tunnel-Großprojekte weltweit etabliert. So sind die größten Baustellen in London, Hong Kong, Abu Dhabi, Ecuador, Panama, Madrid und Barcelona sowie die Projekte Ceneri- und Gotthard-Tunnel mit der Technik von Schulte Strathaus ausgerüstet.

 

2 Umweltschutz: Ausbruchmaterial wird recycelt

Spätestens seit dem Gotthardt-Projekt spielt die Schonung natürlicher Ressourcen eine wichtige Rolle in der Schweiz. Im Vorfeld des Projekts „Linthal 2015“ wurden daher Schutz- und Nutzungspläne erstellt und zusammen mit Vertretern von Behörden und Naturschutzorganisationen ökologische Maßnahmen festgelegt. Dazu gehört auch die nützliche Verwertung des ausgesprengten Rohmaterials. Da mit den Abstreifern rund 90 % des Fördermediums vom Band geschabt werden, kann der Großteil des Ausbruchmaterials wieder verwendet werden. „80 Prozent des ausgesprengten Gesteins wird zu Beton weiterverarbeitet“, sagt Kuster. Dazu wird das Material zunächst in ein Kieswerk transportiert und dort aufbereitet, ehe es in ein nahe gelegenes Betonwerk gelangt.

3 Pumpspeicherkraftwerk sichert Spitzenlast und ­garantiert zuverlässige Stromversorgung

Für das gesamte Projekt sind sieben Jahre veranschlagt, Ende 2015 soll die erste Maschinengruppe ans Netz gehen. Ziel ist es, die bestehenden Anlagen zu optimieren und durch das neue Pumpspeicherkraftwerk die derzeitige Leistung von 480 MW auf 1480 MW zu erhöhen. Dazu wird das Wasser aus dem höher gelegenen Muttsee in ein Drucksystem gespült und treibt die Turbine an, die wiederum den Motorgenerator zum Laufen bringt. Der dabei erzeugte Strom wird ins Netz eingespeist. Aus der Turbine gelangt das Wasser in den darunter liegenden Limmernsee, aus dem es wieder nach oben gepumpt wird. Auf diese Weise können Stromüberschüsse bei Schwachlast gespeichert und zu Spitzenverbrauchszeiten genutzt werden, sodass eine zuverlässige und bedarfsgerechte Stromversorgung gewährleistet werden kann.

 

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