Geschichte wird lebendig

Experimentelle historische Erzaufbereitung in der Fundgrube Wolfgangmaßen

Bergbau prägt den Freistaat Sachsen seit fast 850 Jahren und ist nicht nur hinsichtlich der Braunkohlegewinnung auch nach wie vor gegenwärtig und sichtbar. Angesichts der Abhängigkeit von Rohstoffimporten und der damit verbundenen Diskussionen um die ausreichende Verfügbarkeit von Rohstoffen für die heimische Wirtschaft ist das Berggeschrey in den vergangenen Jahren wieder lauter geworden. Bergbau in Sachsen erfährt eine zunehmende Aufmerksamkeit. Dies schlägt sich nieder in verschiedenen Projekten zur Erkundung sowie der Planung künftiger Gewinnung von Erz- und Spatvorkommen, um sie anschließend mithilfe von hocheffizienten Verfahren aufzubereiten.

Neben diesem rein wirtschaftlichen Interesse kann der Bergbau auch in seiner kulturhistorischen Dimension betrachtet werden. Eindrucksvolles Beispiel sind die Aktivitäten des 1994 gegründeten Bergbauvereins Schneeberg/Erzgebirge e.V. mit dem Ziel, auf der Fundgrube Wolfgangmaßen bei Schneeberg die gesamte Prozesskette der Erzaufbereitung von der bergbaulichen Gewinnung über die Aufbereitung bis zur Verhüttung nachzubilden und darzustellen. Der Schwerpunkt liegt dabei auf den verfahrenstechnischen Abläufen der Aufbereitungstechnik, die in Funktion demonstriert werden können.

1555 ursprünglich als Silberbergwerk gegründet, wurde neben Silbererz bis zur Stilllegung 1920 auf Wolfgangmaßen Kobalt- und Wismuterz gefördert. Dank der guten Quellenlage für das Schneeberger Bergbaurevier in den Archiven ist die wechselhafte Geschichte der Fundgrube Wolfgangmaßen über die Jahrhunderte hinweg mit Zeiten des Wohlstands wie auch des Niedergangs gut dokumentiert. Ab 1780 zählte Wolfgangmaßen im deutschsprachigen Raum zu einer der wichtigsten Gruben der Kobaltgewinnung für die Herstellung von Kobaltblau. Das von einem untertägigen Wasserrad angetriebene Pochwerk mit 9 Stampfen für die Erzzerkleinerung sowie einer Erzwäsche, bestehend aus einem Plan- und 2 Langstoßherden, war 1818 in Betrieb genommen worden.

Die ehemalige Schachtanlage war in ihrer Gesamtheit um die Jahrtausendwende noch so gut erhalten, dass die Mitglieder des Bergbauvereins Schneeberg/Erzgebirge e.V. den Beschluss fassten, das Schachtgelände zu übernehmen, um das zwar stark heruntergekommene, aber historisch wertvolle Gebäudeensemble zu erhalten und seither mit viel Engagement zu rekonstruieren und der Allgemeinheit wieder zugänglich zu machen.

Mit der Unterstützung von Sponsoren wie der Nickelhütte Aue, der Stadtwerke bzw. Wohnungsbaugesellschaft Schneeberg und der Bergsicherung Sachsen realisierten die Vereinsmitglieder seit 2003 umfangreiche Sanierungsarbeiten an dem 1816 – 18 erbauten Pochwerksgebäude. Dazu zählten u.a. die Entkernung des Gebäudes, teilweise verbunden mit dem Austausch des Fachwerkes von Innen- und auch Außenwänden, die Abdeckung der Außenwände mit Brettern, die vollständige Erneuerung von Dachstuhl und Dach sowie die Erneuerung des Glockenturms, der mit einer neuen Glocke ausgestattet wurde. Die Glocke der Fundgrube Wolfgangmaßen war mit einem Uhrwerk verbunden und mit einem Stundenschlagwerk ausgerüstet. Das wahrscheinlich um 1700 gebaute und noch im Original erhaltene Uhrwerk wurde ebenfalls aufwändig restauriert und wieder in Gang gesetzt.

Vor dem Hintergrund der Bestrebungen der deutsch-tschechischen Bergbauregion als UNESCO-Weltkulturerbe anerkannt zu werden, wurden 2014 die Erlebnistage „Montane Kulturlandschaft Erzgebirge/Krušnohoří“ ins Leben gerufen, die seitdem jährlich am ersten Juni-Wochenende mit einer Vielzahl von Veranstaltungen stattfinden. Bei dieser Gelegenheit – wie auch u.a. alljährlich im September am Tag des Offenen Denkmals oder zur Museumsnacht im Oktober – präsentiert der Bergbauverein Schneeberg/Erzgebirge e.V. den Fortschritt seiner Aktivitäten rund um die Fundgrube Wolfgangmaßen.

Seit einigen Jahren liegt der Schwerpunkt der Sanierungs- und Aufbauarbeiten in den Räumlichkeiten von Erdgeschoß und erstem Stock des Pochwerks, so dass künftig die gesamte Aufbereitungskette nicht mehr im Freien, sondern dauerhaft im Hauptgebäude präsentiert werden kann. In der ersten Etage dienen inzwischen einige Räume der historischen Dokumentation von dem Bergbau nahestehender Gewerke – u.a. zur Herstellung von Unschlitt als Leuchtmittel oder einer Zimmerei – sowie der Präsentation verschiedener Grubenmodelle und Buckelbergwerken. Zusätzlich steht ein großer Veranstaltungsraum für Versammlungen, Vorträge und Theateraufführungen zur Verfügung.

Das Erdgeschoß hingegen steht ganz im Zeichen der Erzaufbereitung. Der ehemalige Wäscheraum wurde mit einem neuen Holzfußboden ausgestattet, darunter wurden Wasserbehälter und ein entsprechendes Pumpensystem für die Versorgung der Wasserkreisläufe für die Anlagen zur Nassaufbereitung (Klassierung und Sortierung) mit Regenwasser eingebaut. Verschiedene Apparate und Anlagen wurden bereits von den Mitgliedern des Bergbauvereins nach historischen Dokumenten originalgetreu bzw. als Modell nachgebaut. Sie sind neben Aufbereitungsmaschinen aus der jüngeren Zeit in Funktion zu sehen und ermöglichen dadurch einen Vergleich zu den modernen Aufbereitungsmethoden. Zusätzlich wurde ein kleines verfahrenstechnisches Labor eingerichtet, um die Aufbereitungsergebnisse zu dokumentieren. Darüber hinaus dient es dazu, nach den Beschreibungen in den Originaldokumenten Versuche durchzuführen und die historischen verfahrenstechnischen Angaben und Prozesse nachzuvollziehen.

Im Sommer 2018 hatten Besucher der Fundgrube Wolfgangmaßen erstmals die Gelegenheit, einen Großteil der gesamten Aufbereitungskette aktiv zu begleiten bzw. in Betrieb zu sehen – von der Zerkleinerung der Gesteinsbrocken zum mehligen Pulver, über die Sortierung nach physikalischen Eigenschaften, wie z.B. der Dichte, bis zur Klassierung des Materials nach Korngrößen durch Siebung bzw. Strömungskräfte.

Nach der Zerkleinerung auf dem Pochwerk konnten die Besucher eigenhändig mit einem Setz-Sieb am Setztrog die weitere Sortierung des vorliegenden Materials nach Dichte vornehmen. Für die mechanische Zerkleinerung und Sortierung stehen zwei nach historischen Vorgaben gefertigte Modelle aus Holz bereit: Ein Trockenpochwerk im Maßstab von 1:3 sowie eine Mehlführung mit 6 m Länge zur Nassaufbereitung. Nach der Mehlführung gelangte das Material zur Feinsortierung in drei verschiedene Qualitäten auf Einkehrherd, Planherd und Quertoßherd, die ebenfalls nach Originalzeichnungen 1:1 gebaut wurden. Für die Nassklassierung steht zusätzlich ein funktionsfähiger Schüttelherd aus den 1950er Jahren zur Verfügung.

Auf der Grundlage einer detaillierten Beschreibung in den historischen Quellen aus dem Jahr 1865 (Jahrbuch Berg- und Hüttenmannn, 1865, S. 109) konnte im Spätsommer 2018 im Rahmen des Sharing Heritage als Teil des Europeen Heritage Volumteers Project mit einigen jungen Menschen aus verschiedenen Ländern ein besonderes Highlight direkt am ehemaligen Pochwerksgebäude freigelegt werden: Eine Mehlführung von ca. 140 m Länge, die in ihrem sehr guten Erhaltungszustand die vermutlich letzte bekannte Anlage ihrer Art im Erzgebirge sein dürfte. Sie stellt im Aufbereitungsprozess ein wichtiges Bindeglied zwischen Nasspochwerk und Herdaufbereitung dar. Bei einer Mehlführung handelt es sich in der Regel um ein – teilweise mehrere hundert Meter langes – Rinnensystem, das in den Pochwerken zur Stromklassierung und zur Entschlämmung der Erze nach dem Nasspochen und vor der Herdaufbereitung geschaltet wurde. Da sich in den Rinnen der Wolfgangmaßener Mehlführung noch Originalmaterial aus der Zeit der Stilllegung im Jahr 1927 befindet, konnte in verschiedenen Versuchen die Funktion der Mehlführung im Zusammenhang mit der Herdaufbereitung fundiert nachvollzogen werden. Die Mehlführung wurde nach ihrer exakten Vermessung und Dokumentation wieder abgedeckt und mit einer geschlossenen Rasendecke versiegelt.

Zur weiteren aufbereitungstechnischen Ausstattung der Fundgrube Wolfgangmaßen zählen verschiedene Siebmaschinen, eine Kolbensetzmaschine, Hydrozyklone und ein Wendelscheider. Auch diese Anlagen und Apparate können in Funktion gezeigt werden. Zusätzlich sind auf Schautafeln die einzelnen Apparate dargestellt und mit ihrer Funktion erklärt. Die Besucher können daher nicht nur selbst Erz aufbereiten, sie haben die Möglichkeit, die verschiedenen Methoden zur Wertstoffgewinnung durch eine Gegenüberstellung von historischen und modernen Aufbereitungsmethoden nachzuvollziehen. Ein betriebsbereiter Wismutschmelzofen ergänzt die verfahrenstechnische Ausstattung der Fundgrube Wolfgangmaßen.

Der Schneeberger Bergbauverein beschränkt sich in seinen Aktivitäten nicht nur auf den Bereich über Tage. Wieder zugängig gemacht wurde eine Radkammer unter Tage, in der ein Wasserrad mit einem Durchmesser von 9,6 m über zwei Gestänge-Schächte das ehemalige Pochwerk angetrieben hatte. Ebenfalls möglich ist ein kurzer Rundweg durch die Abzugsrösche zu einem Wasserbecken für die Speicherung von Aufschlagwasser für eine Kehrradturbine, die wiederum zur Förderung der Erze über einen heute bis ca. 50 m noch zugänglichen tonnenlägigen Treibeschacht diente. Die gesamte flache Teufe des Wolfgangmaßner Kunst- und Treibeschachtes hatte insgesamt 425 m betragen.

Getragen vom ehrenamtlichem Engagement der Mitglieder des Bergbauvereins sowie finanziellen wie auch materiellen Spenden betreiben die Mitglieder des Bergvereins Restaurierungsarbeiten an den Gebäuden, Forschung in den Archiven, setzen vorhandene Anlagen in Stand, bauen historische Anlagen nach Originalzeichnungen nach und betreuen Besucher vor Ort – immer mit dem Ziel vor Augen, ein funktionierendes Objekt zur Darstellung der Erzanreicherung zu schaffen, das einmalig im Erzgebirge ist.

Nach der Instandsetzung des ehemaligen Wäscheraums plant der Bergbauverein unter Anderem den historischen Pochwerksraum zu sanieren, um ein modifiziertes kalifornisches Pochwerk in Originalgröße einzubauen. Alle Interessenten sind herzlich eingeladen, sich über die Arbeiten auf der Fundgrube zu informieren, einen Rundgang auf dem Gelände zu erleben und mit den Vereinsmitgliedern zu diskutieren. Die Mitglieder des Bergbauvereins freuen sich auch 2019 wieder auf viele interessierte Besucher zu den öffentlichen Veranstaltungen und gerne auch nach Vereinbarung. Anmeldungen dazu bitte bei dem Vereinsvorsitzenden Volkmar Müller unter der Tel.-Nr. 0162 4359984.

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