Montane Kultur im Erzgebirge

Kaum eine Landschaft in Deutschland ist so vom Erzbergbau geprägt wie das Erzgebirge in Sachsen. Über mehr als 800 Jahre ist diese Gegend eng mit dem Bergbau verbunden. Als der Legende nach Kaufleute in den Radspuren ihrer Wagen bei Christiansdorf, dem heutigen Freiberg, im Jahr 1168 Silber fanden, begann eine bis heute andauernde Bergbautätigkeit. Der Bergbau im Erzgebirge kennt viele Höhen und Tiefen in seiner wechselvollen Geschichte. Bekannt ist die Gegend vor allem durch das Silber und seine vier großen Silberstädte: Freiberg, Marienberg, Annaberg und Schneeberg.

Aber auch Kobalt, Zinn, Kupfer, Blei, Wismut, Eisen sowie einige andere Metalle und Mineralien spielten eine große Rolle bei der Gewinnung von Rohstoffen, wie der Name Erzgebirge schon verrät. Selbst heute wird wieder Fluss- und Schwerspat gefördert und aufbereitet. Ein Berggeschrei u.a. auf Zinn, seltene Elemente und andere Rohstoffe geht momentan um.

Der Bergbau hat in seiner Folge das gesamte Leben von vielen Generationen maßgeblich beeinflusst. Das drückt sich nicht nur in der technischen und wirtschaftlichen Entwicklung aus, sondern auch in Kunst, Kultur und Religion. Flächendeckend finden sich kulturelle Zeugnisse, die den engen Zusammenhang von Kunst und Kultur mit dem Bergbau bezeugen (Bild 1).

Der Tradition verpflichtet, ist eine große Anzahl von Museen und technischen Denkmalen entstanden. Grenzübergreifend nach Tschechien haben Vereine und kommunale Einrichtungen eine einmalige Kulturlandschaft ins Leben gerufen, die antritt zum UNSECO-Weltkulturerbe zu werden. Unter dem Namen „Montane Kulturlandschaft Erzgebirge/Krušnohoří“ bewirbt sich die Region um den begehrten Titel.

Im Rahmen dieser Bemühungen fanden am 6. und 7. Juni 2015 zum zweiten Mal die Erlebnistage „Montane Kulturlandschaft“ statt. An insgesamt 45 Veranstaltungsorten luden Vereine und Museen dazu ein, sich an 2 Tagen mit der Bergbautradition in Technik und Kultur vertraut zu machen. Schauvorführungen und Erlebniswanderungen machten Bergbau im wahrsten Sinne des Wortes begreifbar. Höhepunkt sind dabei die Befahrungen Untertage und praktische Vorführungen wie Schauschmieden oder Erzwaschen (Bild 2). Besuchern von außerhalb wird bei solchen Veranstaltungen deutlich, mit welcher Intensität der Bergbau über so lange Zeiträume betrieben wurde. Kaum eine Ansiedlung in der Gegend ist ohne bergbaulichen Bezug. Geht man aufmerksam durch die Orte, fällt auf, dass viele ältere Gebäude mit bergbaulicher Tradition noch heute wie selbstverständlich bewohnt sind.

Stellvertretend für die vielen Veranstaltungen sei an dieser Stelle die Veranstaltung auf der Fundgrube Wolfgangmaßen bei Schneeberg genannt (Bild 3). Eingebunden in den Schneeberg-Neustädtler Bergbaulehrpfad fand hier ein interessantes und vielseitiges Programm im Rahmen der Kulturtage statt. Die ersten Schürfe der Fundgrube Wolfgang wurden 1555 angelegt. Ab1572 begann dann der Abbau auf Silber. Ab 1652 wurde bis ca. 1673 der Kobaltabbau betrieben, der nach einer Ruhezeit von etwas mehr als hundert Jahren 1777 wieder aufgenommen wurde – dann schon auf  Wolfgangmaßen.

Ab 1790 erfolgte die Förderung durch einen Pferdegöpel auf einem tonnlägigen Schacht. Erst 1816-1818 baute man ein Pochwerk mit anschließender gravimetrischer Aufbereitung durch Langstoßherde und Handsetztröge. Bis dahin wurden die gewonnenen Erze nicht direkt an der Grube aufbereitet. Mit der Entwicklung des Maschinenbaus modernisierte man den alten Pferdegöpel von 1855 bis 1857 zu einem Turbinengöpel und 20 Jahre später zu einem Dampfgöpel. Mittlerweile hatte der Schacht eine Saigerteufe – die senkrechte Tiefe des Bergwerks – von 378 m erreicht. Im 19. Jahrhundert wurden neben Kobalt und Wismut auch zeitweilig wieder nennenswerte Mengen an Silber gefördert. Ab 1883 wurden das zusätzlich errichtete Dampfpochwerk und die Wäsche mit Hilfe von weiteren Dampfmaschinen angetrieben. 1920 kam der Bergbau auf dem Förderschacht Wolfgangmaßen zum Erliegen. Kurz darauf wurde auch die Aufbereitung stillgelegt. Nach dem Krieg galt das Interesse der Prospektion und Förderung von Uran. Die Arbeiten dauerten nur kurz, da man nicht fündig wurde.

Heute wird die Fundgrube Wolfgangmaßen vom Bergbauverein Schneeberg/Erzgebirge e.V. betreut, der 1994 gegründet wurde. Ziel des Vereins ist es, durch Erforschung des historischen Bergbaus im ehemaligen Schneeberger Bergamts-Revier und der Pflege der ehemaligen Bergwerksanlage ein lebendiges Denkmal für die Öffentlichkeit zu schaffen. Dazu gehört die Rekonstruktion eines Teils des Grubengebäudes und des Pochwerkes mit Erzwäsche zu funktionstüchtigen Anlagen.

Im Rahmen der Kulturtage hatte der Verein eingeladen, die Fundgrube Wolfgangmaßen zu besuchen. Ein umfangreiches Programm für Jung und Alt brachte den Besuchern das Leben rund um Bergbau und Aufbereitung nahe. Neugierige konnten lernen, dass der eigentliche Bergbau Untertage durch viele Nebengewerke erst möglich wurde.

In der Bergschmiede konnte man selbst miterleben, wie Schlegel und Eisen entstehen (Bild 4). Eine Seilerei lud zum Mitmachen ein, sich „seinen eigenen Strick zu drehen“. Mitglieder des Vereins in historischen Bergkitteln erklärten das Gezähe (Werkzeuge und Arbeitsgeräte) der Bergleute (Bild 5). In zwei Buckelbergwerken konnte man das Leben der Bergleute Untertage veranschaulicht sehen. Wer wollte, konnte sich sein eigenes Wasserrohr aus einem Baumstamm bohren (Bild 6), wie es früher auf vielen Gruben üblich war. Für Kinder und Erwachsene war es faszinierend, einmal selbst zu Schlegel und Eisen zu greifen und „Untertage“ nur beim Licht einer Freiberger Blende Hand anzulegen.

Eine Befahrung der Radstube Untertage für Interessenten ließ Einblicke in die Radkammer zu, in der sich einst das im Durchmesser 9,6 m große Wasserrad befunden hat, das zum Antrieb des Pochwerkes und der Wäsche gedient hatte. Ein Höhepunkt war das Schauschmelzen von Wismut im eigens dafür errichteten Schmelzofen (Bild 7). Besucher konnten Schmuck und Souvenirs aus erschmolzenem Wismut erwerben.

Besonders für die Kinder war es interessant, einmal selbst mit der Pfanne Katzengold (Pyrit) zu waschen. Anhand von verschiedenen Mineralien wurden die einzelnen Prozessstufen der Aufbereitung von Erzen und Mineralien anschaulich dargestellt (Bild 8 und Bild 9). Die Besucher konnten mit Pfanne und Waschtrog diese voneinander trennen. Eine Messstelle zur Ermittlung der Radioaktivität (Bild 10) verblüffte die Besucher, wie viele Gebrauchsgegenstände aus früherer Zeit mit radioaktiven Stoffen verziert waren. Besonders Keramiken und Glas wurden mit Uranfarben verziert, die noch heute merklich strahlen. Es bestand aber zu keiner Zeit Gefahr für die Besucher, sich erhöhter Strahlung auszusetzen.

Im Pochwerksgebäude selbst war eine Sonderausstellung zur Unschlitt- und Schmiermittelherstellung zu sehen, die durch den „Butter-Sepp“ bei der  Verarbeitung von Milch anschaulich erklärt wurde (Bild 11). An einem großen Modell der Schachtanlage und der Nebengebäude konnten sich die Besucher einen Überblick über die Gesamtanlage der Fundgrube verschaffen.

Natürlich war rund um die Veranstaltung auch für das leibliche Wohl mit Bratwurst, Speckfettbemme, Kaffee und Kuchen gesorgt. Alles in allem eine gelungene Veranstaltung, auch wenn aufgrund des heißen Wetters am ersten Tag der Filzteich, der auch eine der zahlreichen bergbaulichen Anlagen in Schneeberg darstellt, eine sehr große Anziehungskraft zum Baden hatte.

Wer sich für eine Führung Über- und auch Untertage interessiert, kann sich bei Volkmar Müller, Vorsitzender des Bergbauvereins, unter der Telefonnummer 0162/4359984 anmelden. Befahrungen Untertage sind wegen der Enge auf 5 Personen begrenzt und nur auf  Voranmeldung möglich. Die Veranstalter freuen sich schon auf die 3. Kulturtage 2016 und erwarten interessierte Besucher.

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