5. Symposium Freiberger Innovationen: Energie- und Rohstoffherausforderungen der nächsten 50 Jahre

Mit dem Ziel, Chancen und Risiken der absehbaren mittel- und langfristigen Herausforderungen der Energie- und Rohstoffvorsorge unter globalen Aspekten zu verdeutlichen, die erforderlichen Maßnahmen daraus abzuleiten und sie den Entscheidungsträgern nahezubringen, veranstalteten die Technische Universität Bergakademie Freiberg (TU BAF) und das Helmholtz-Institut Freiberg für Ressourcentechnologie (HIF) am 25. und 26. März 2015 das 5. Symposium “Freiberger Innovationen“.  Die Kernfrage hieß:  Welche innovativen Technologien können den steigenden globalen Energie- und Rohstoffbedarf decken und wie kann dabei gleichzeitig  der Umweltschutz verbessert werden.  Fast familiär wirkte die zweisprachige  Veranstaltung (englisch/deutsch) mit ihren etwas über 50 Teilnehmern, darunter mehrere wissenschaftliche Vertreter aus dem Ausland (Japan, Australien, USA, Frankreich, Finnland), die den globalen Charakter der Thematik unterstrichen. Umso mehr hätte man sich für so viel konzentrierte Fachkompetenz und vorgetragenen Ideenreichtum ein größeres Publikum gewünscht.

Prof. Dr. Peter Kausch, TU BAF richtete bei seiner Begrüßung den Blick auf 2050 und fragte: „Was wird kommen?  Wenn die Statistiken stimmen, wird die Weltbevölkerung auf 9 Mrd. Menschen angewachsen sein. Das bedeutet, wir brauchen mehr Energie, Nahrungsmittel und natürliche Ressourcen. Dafür werden intelligente Lösungen gebraucht.“ Noch krasser formulierte es Prof. Dr. Roland Sauerbrey, wissenschaftlicher Direktor des HIF: „Wie können wir in den nächsten 50 Jahren sicherstellen, dass die Menschheit auf der Erde überlebt?“ Entsprechende Strategien seien zu entwickeln und die notwendigen Innovationen herbeizuführen. Er strich die einzigartige Möglichkeit des Wissenschaftsstandortes Freiberg-Dresden heraus, um die europäische Strategie der Ressourcenschonung und Energiewende durchzusetzen, die Nutzung der Rohmaterialien zu sichern und die Energiewende herbeizuführen. „Die beste Energie ist die Energie, die weltweit ökonomisch und umweltverträglich erzeugt wird“ so sein Credo.

In vier Themenblöcken wurden die neuesten Forschungsergebnisse der TU BAF und des HIF vorgestellt, ergänzt durch Mitteilungen einiger führender Unternehmen zu ihrer Strategie der Rohstoffversorgung. Es wurde versucht, Schwerpunkte zu setzen, wobei eine Abgrenzung schwierig war, denn die immer wiederkehrende Kernfrage betraf die Rohstoff- und Energiesicherung:

1. Die Zukunft von Ressourcen und Demografie – globale Perspektiven

2. Folgen für die Ressourcengrundlage

3. Ressourcennachfrage und entsprechende Strategien

4. Grenzen von primären und sekundären Rohstoffquellen

Moderator Prof. Dr. Matschullat, TU BAF unterstrich einleitend, dass die Wissenschaftler die verantwortungsvolle Aufgabe haben, ihr Wissen nicht nur untereinander zu verbreiten, sondern die Wirtschaft und Politik sowie die Allgemeinheit einzubeziehen, damit allen bewusst wird, vor welchen Herausforderungen die Menschheit steht, selbst bei Annahme einer  linearen Entwicklung, die aber unrealistisch sei. Diese Herausforderungen und Ansätze für Lösungswege zogen sich durch alle Vorträge.

Eine konsequente strategische Ausrichtung auf Eigenversorgung mit Rohstoffen forderte Hans-Joachim Welsch, ROGESA Roheisengesellschaft Saar mbH, Dillingen und skizzierte ein Bild des in vollem Gange laufenden globalen Kampfes um Rohstoffe. Neben der Verbesserung der Importsituation (Rohstoffpartnerschaften), der stärkeren Nutzung einheimischer Rohstoffe und der Steigerung der Ressourceneffizienz ist ein stärkeres Recycling gefragt. „Recycling ist unverzichtbar für die Rohstoffsicherung, wobei heute schon ein Fünftel der Rohstoffe in Deutschland daraus abgedeckt wird.“ erläuterte der Referent und verwies auch auf die wichtige Rolle der Politik bei der Rohstoffsicherung, da Deutschland auch in Zukunft von Importen abhängig sein wird.

Eine quantifizierte Nachhaltigkeit vom Design bis zum Recycling mahnte Prof. Dr. Markus Reuter („Grenzen des Recyclings“) an. Dabei sollte in die heute übliche, allein materialfokussierte Sichtweise zukünftig die Energie einbezogen werden. Auch wenn es einen völlig geschlossenen Kreislauf nicht geben wird, ist hinsichtlich Systeminnovationen noch vieles möglich. Die Energiewende in Zeiten des wachsenden Energiebedarfs war das Kernthema im Referat von Prof. Dr. Nickolas T. Arndt, Universität Toronto, Kanada („Metalle für eine ‘kohlenstoffarme‘ Gesellschaft“). Gerade Metalle bedingen für ihre Erzeugung einen hohen Energiebedarf (allein ca. 21 % des globalen Energiebedarfs benötigt die Stahl- und Zementproduktion). Mit dem Übergang zu den erneuerbarer Energien wird ein neues Problem geschaffen: ihre Erzeugung erfordert große Mengen strategischer Rohstoffe, aber ebenso auch Basismetalle (Cu, Zn, Al), Stahl und Beton. Auch hier ist neben der Gewinnung primärer Rohstoffe Recycling gefragt. Die Deckung eines Großteils des Bedarfs aus einheimischen Rohstoffen ist keine Utopie, denn die geologische Daten zeigen, dass in Europa selbst ein Potenzial besteht, es müssen nur neue Methoden der Erkundung und Gewinnung angewandt werden. Durch eine breite, argumentative Öffentlichkeitsarbeit ist dem Widerstand gegen die Erkundung und Erschließung von Lagerstätten entgegen zu wirken. Genau in diese Richtung geht auch das Forschungsprogramm der Bundesregierung „Forschung für Nachhaltigkeit FONA 3“, das 2015 beginnt, sich auf ein Volumen von 200 Mio. €/10 – 15 Jahre beläuft und zum Ziel die Erweiterung der Rohstoffbasis (z. B. Nutzung von CO2 als Rohstoff) bei Erhöhung des heimischen Anteils hat, wie der Beitrag von PD Dr. Lothar Mennicken, BMBF Berlin zeigte.

Die Auswirkungen der Energiewende insbesondere für die energieintensive Industrie waren das Thema von Ulf Gehrckens, Aurubis AG Hamburg. Aurubis, Europas größter Cu-Produzent und weltweit größter Cu-Recycler hat einen konzernweiten Energiebedarf von rd. 1,8 Mrd. kWh Strom und 1,3 Mrd. kWh Gas pro Jahr. Etwa 40 % seiner Produktion stammen aus dem Recycling, ein Drittel der Produktionskosten entfällt auf Energiekosten, davon etwa 30 % auf Umweltschutzmaßnahmen. Der gegenwärtige Anstieg der Stromkosten in Deutschland bedroht besonders die energieintensiven Unternehmen, da diese lokalen Kosten nicht wie bei anderen Waren an den Kunden weitergegeben werden können. Gehrckens warnte vor einem deutschen Alleingang bei der CO2-Reduktion (Vorgabe: bis 2020 um 40 %), da diese nur zu einem erhöhten Ausstoß in den anderen EU-Ländern führen würde. Überzeugende Argumente brachten ihn zu der Aussage, dass die Energiewende nicht durchdacht und verfrüht ist und Aussagen der Politik oft überzogen sind. „Eine Kilowattstunde, die kommt, wann sie will, kostet mehr als eine, die kommt, wenn man sie braucht. So, wie diese Wende angedacht ist, kann die deutsche Cu-Industrie das Rennen auf dem Weltmarkt nicht gewinnen“, so seine kritischen Worte.

In ähnlicher Weise argumentierte Gunther-Alexander Kellermann, Energy & Climate Policy BASF als Vertreter des größten Chemiewerkes der Welt mit einem eigenen Rohstoffunternehmen. Die Rohstoffkosten im Wesentlichen verursacht durch den Hauptrohstoff Naphtha -  sind enorm. Der Referent stellte unter Einbeziehung der internationalen Preisentwicklungen den steigenden Konkurrenzdruck auf die deutsche Chemiewirtschaft dar und Überlegungen zu weiteren Rohstoffen wie Schiefergas und chinesische Kohle an. Fracking – ein Thema, das für BASF interessant ist, aber die Diskussion dazu wird in Deutschland zu hysterisch geführt. Auch er fordert, dass die Rohstoff- und Energiepolitik eine Strategie unter globalen Gesichtspunkten aufstellen und Gegenmaßnahmen vorsehen muss, um die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Chemieindustrie zu sichern.

Betrachtungen zu kritischen Rohstoffen  unter Einbeziehung vieler Beispiele von der Bronzezeit bis zur Gegenwart und der Verminderung der Kritikalität (Innovationen bei Substitution, Recycling, Erhöhung der Effizienz der Fertigung durch interdisziplinäre Forschung) stellte Prof. Dr. Roderick Eggert, Colorado Scool of Mines/USA an.

Über Seltene Erden (SE) und ihre Anwendung sowie die Möglichkeit  ihrer Gewinnung aus einheimischen Rohstoffen berichtete Allister Mac Donald, Alkane Resources Ltd. South Wales/Australien.

Abschließend stellte Prof. Dr. Jens Gutzmer, HIF Freiberg die Wissens- und Innovationsgemeinschaften für den Rohstoffsektor vor, speziell das EIT (Europäisches Institut für Innovation und Technologie), die erste europäische Initiative, die die drei Seiten des Wirtschaftsdreiecks – Bildung – Unternehmung – Forschung und Entwicklung – zusammenführt und den systematischen Aufbau regional verankerter Cluster und internationaler Netzwerke zum Ziel hat.

Auch am zweiten Konferenztag standen die Seltenen Erden zur Diskussion, beispielsweise im Referat von Prof. Dr. Yasushi Watanabe, Akita University/Japan, der eine Lösung für die einheimische Ressourcenverfügbarkeit von SE vorstellte (Nebenprodukt der Apatit-Gewinnung) oder bei Prof. Dudley J. Kingsnorth, Curtin Graduate School of Business, Perth/Australien, der auf Chancen und Gefahren für die SE-Industrie in einer globalen ökologischen Wirtschaft einging. Prof. Dr. Oliver Gutfleisch, TU Darmstadt beschäftigte sich in seinem Beitrag mit SE für Hochleistungsmagnete mit der Entwicklung innovativer Materialien und der Substitution dieser teuren Roh- und Werkstoffe. Drastisch reduzierte SE-Gehalte sind ebenso ein Thema wie die Entwicklung SE-freier permanentmagnetischer und magnetokalorischer Materialen (z. B. La-Fe-Si-basierte Verbindungen) für den Einsatz im Bereich der erneuerbaren Energien (Windräder, Elektromobilität).

Sehr interessant war der Beitrag „Methanol-Technologien“ von Prof. Dr. Martin Bertau, TU BAF, der der Politik vorwarf, kein strategisches Konzept für die notwendige Energiewende vorzulegen, die Entwicklungen in der Wissenschaft nicht ausreichend zu beachten und damit große Chancen zu vergeben. Methanol, das aus CO2 und  Wasser erzeugt werden kann, ist ein Allrounder: Treibstoff, Energie- und Chemierohstoff der Zukunft wie der Referent eindrucksvoll  zeigen konnte und auf ein Pilotprojekt der TU Essen-Duisburg und Mitsubishi Hitachi Power Systems Europe im STEAG- Kraftwerk Lünen verwies.

Zukunftsweisend war auch die Vorstellung von „Ressourcentechnologien 2065“ von Prof. Holger Lieberwirth, TU BAF. Ausgehend von dem hier schon genannten Trend im Ressourcenverbrauch und den begrenzten, immer ärmer werdenden Lagerstätten ging er auf Alternativen für Ressourcen  wie extraterristische, maritime, planetare Quellen und Asteroideneinfang sowie Beaming der Solarenergie durch Spiegel im All ein. Daraus leitete er Trends der Zukunftsgewinnungstechnologien ab.

Resümee

„Wie werden wir die Herausforderungen der Ressourcenversorgung für die kommenden 50 Jahre meistern?“ fragte Prof. Dr. Jörg Matschullat am Ende des Symposiums und fasste zusammen, was all die Beiträge der beiden Konferenztage gezeigt hatten: die Wissenschaft wartet mit hervorragenden Ergebnissen auf, die eine gute Grundlage für das Erreichen der dringend notwendigen Energiewende und zur Rohstoffsicherung darstellen. Was fehlt, ist eine langfristige Absicherung für die Energie- und Rohstoffindustrie, die aber von der Politik zu wenig beachtet wird. Es wird höchste Zeit, die Energiewende in realistische Bahnen zu lenken, falsche Annahmen auszuräumen und ihre Auswirkungen insbesondere in Bezug auf die energieintensive Industrie einzubeziehen. Engagement von allen Beteiligten wird gebraucht, um das Manko einer unzureichenden Strategie der Energiewende in die Öffentlichkeit zu bringen und für schnellste Abhilfe zu sorgen.

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