Die älteste montanistische Hochschule der Welt

2015 feiert die TU Bergakademie Freiberg ihr 250jähriges Jubiläum. Im Verlauf ihrer traditionsreichen Geschichte spielte die Bergakademie Freiberg eine wichtige Rolle für die Montanwissenschaften und gab wesentliche Impulse für die Entwicklung der Geowissenschaften sowie der Natur- und Technikwissenschaften.

Die Ausbildung auf hohem wissenschaftlichem Niveau zog Studenten aus aller Welt an, die sich an der Bergakademie Freiberg einschrieben. Zu den bekanntesten gehören Alexander von Humboldt (1769 - 1859) und Georg Philipp Friedrich von Hardenberg (1772 - 1801 – bekannt als Novalis). Zum Ansehen der Bergakademie Freiberg trugen namhafte Wissenschaftler bei, die hier studierten oder als Lehrer erfolgreich in Freiberg wirkten. Dazu zählen Abraham Gottlob Werner (1749 - 1817), Begründer der modernen Mineralogie und Geologie, Clemens Winkler (1839 - 1904), der das Element Germanium entdeckte sowie Ferdinand Reich (1799 - 1882) und Hieronymus Theodor Richter (1828 - 1898), die aus der Freiberger Zinkblende erstmals das Element Indium darstellten. Weiterhin Julius Ludwig Weisbach (1806 - 1871), der Universalgelehrte und Wegbereiter des modernen Ingenieurwesens auf den Gebieten Bergbaumaschinen, Technische Mechanik, Strömungsmechanik, Mathematik und Markscheidewesen, Gustav Anton Zeuner (1828 - 1907) ein befähigter Organisator bei der Einführung neuer Wissenschaftsstrukturen und Ausbildungsinhalte für das Hochschulwesen und Schöpfer der mechanischen Wärmetheorie und Technischen Thermodynamik, sowie Erich Rammler (1901 - 1986),
der ein weltweit einmaliges hüttenfähiges Braunkohlenhochtemperaturkoks-Verfahren (BHT-Koks) für den Einsatz in der Metallurgie entwickelte. Was vor dem Urteil der Geschichte bleibenden Wert erlangt, lässt sich richtig erst mit historischem Abstand bestimmen.

Neuere Forschungen für die Hochschulgeschichte erhellten inzwischen insbesondere die Geschichte der Technischen Universität Bergakademie Freiberg im 20. Jahrhundert. Die Gründung der ersten montanwissenschaftlichen Lehranstalt der Welt im sächsischen Freiberg im November 1765 erfolgte auf der Grundlage sowohl spezifisch landespolitischer wie auch allgemeiner bildungspolitischer Erwägungen. Die Anforderungen des wirtschaftspolitischen Systems des Absolutismus im 16. bis 18. Jahrhundert·waren ausschlaggebend für die Erhöhung der staatlichen Geldeinkünfte. Es förderte die inländische industrielle Erzeugung und Ausfuhr, um eine aktive Handelsbilanz und den Zustrom von Geld aus dem Ausland zu erreichen. Sie gingen damit Hand in Hand mit den bildungspolitischen Reformbestrebungen der Aufklärung und schufen eine Bildungseinrichtung, deren Weiterentwicklung im Verlauf ihrer nunmehr 250-jährigen Geschichte auf das engste sowohl mit der wirtschaftlichen Entwicklung Sachsens und Deutschlands wie auch mit der Entwicklung des deutschen und europäischen Bildungswesens verbunden blieb.

Damit vollzogen sich die Vorgeschichte, Gründung und die ersten Jahrzehnte der Entwicklung der Bergakademie Freiberg im Rahmen der Reform des Bildungssystems im absolutistischen Europa. Bereits vor Gründung der Bergakademie hatte sich Freiberg als Stätte montanistischer Bildung einen weit über Sachsen hinaus reichenden Ruf erworben. Im Freiberger und sächsischen Bergbau- und Hüttenwesen wirkende Gelehrte wie Johann Friedrich Henckel (1678 - 1744) oder auch Christlieb Ehregott Gellert (1715 - 1795) zogen zahlreiche, an einer montanistischen wissenschaftlichen Aus- oder Weiterbildung interessierte In- und Ausländer nach Freiberg, wo sie in der Mineralogie, der Metallurgie, der Probierkunst, dem Markscheidewesen, der Bergbaukunst, dem Bergrecht und dem Bergrechnungswesen eine Ausbildung erhielten. Die ökonomische Bedeutung des Montanwesens für den sächsischen Staat und der sich beschleunigende naturwissenschaftliche und technologische Erkenntniszuwachs am Vorabend der industriellen Revolution führten in Sachsen bereits zu Beginn des 18. Jahrhunderts zu bildungspolitischen Reformbemühungen im Montanwesen, die schließlich 1765 in die Gründung der Bergakademie Freiberg mündeten.

In der Planung der Gründung der Bergakademie Freiberg vom November 1765 wurde dabei die berufspraktisch orientierte Ausbildung mit der Konzeption einer mathematisch-naturwissenschaftlich fundierten Grundlagenausbildung zu einer wissenschaftlich-technisch orientierten Eliteausbildung für die technologischen und ökonomischen Bedürfnisse des Montanwesens verbunden. Unter maßgeblichem Einfluss des preußischen Oberberghauptmanns und Staatsministers Friedrich Anton von Heynitz (1725 - 1802) und des Freiberger Oberberghauptmanns Friedrich Wilhelm von Oppel (1720 - 1769) wurden im Bereich der montanistischen Ausbildung dabei weltweit erstmals in einer Bildungseinrichtung Theorie und Praxis so vereint, dass am Hochschulcharakter der neuen Institution kein Zweifel bestehen konnte. Es entwickelte sich die neue Bergakademie stürmisch und wurde zum Vorbild der Gründung vergleichbarer Bildungseinrichtungen in ganz Europa. Insbesondere seit der Berufung von Abraham Gottlob Werner (1749 - 1817) zum Inspektor und Lehrer für Mineralogie im Jahre 1775 mehrte sich der internationale Ruf der Freiberger Bergakademie. Werner, der seine akademische Ausbildung an der Bergakademie selbst und an der Universität Leipzig erhalten hatte, entwickelte sich in Freiberg zu einem weltberühmten Wissenschaftler, Hochschullehrer und Bildungsreformer, der zahlreiche später bekannte Gelehrte als Studenten nach Freiberg zog, darunter Alexander von Humboldt (1769 - 1859), Leopold von Buch (1774 - 1853) oder Franz Xaver von Baader (1730 - 1806). Werner wurde nicht nur zu einem der Begründer der modernen Geowissenschaften, sondern sorgte als Inspektor der Bergakademie auch für die weitere Anpassung der Bildungsanstalt an die sich verändernden Bedürfnisse des heraufziehenden naturwissenschaftlich-technischen Zeitalters.

Die Freiberger Lehranstalt entwickelte sich unter ihm zu einer Lehr- und Forschungsanstalt, die im Bereich von Naturwissenschaft und Technik, insbesondere aber auf dem Gebiet der Montanwissenschaften, an der Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert eine weltweit führende Position einnahm. Der über fünf Jahrzehnte andauernde Entwicklungsprozess der Bergakademie Freiberg zur Technischen Hochschule des Montanwesens war neben organisatorischen auch durch inhaltliche Veränderungen geprägt. Die notwendige Anpassung von Lehre und Forschung an die Entwicklung des Montanwesens wurde durch den 1871 zum Professor für Mechanik und Bergmaschinenlehre sowie zum ersten Direktor der Bergakademie berufenen renommierten Maschinenbauer Gustav Anton Zeuner (1828 - 1907) eingeleitet. Zeuner, als Student der Bergakademie, zählte seit 1855 als Professor und von 1865 bis 1867 auch als Direktor des Züricher Polytechnikums nicht nur zu den profiliertesten Maschinenbauern des technischen Hochschulwesens in Europa, sondern ebenso zu den namhaften Reformern für die verschiedenen technischen Disziplinen. Seine  Vorstellungen von der Entwicklung der akademischen Ingenieurausbildung setzte er sowohl als Direktor an der Bergakademie Freiberg (1871 - 1873) wie auch als Direktor des Dresdener Polytechnikums konsequent durch. Für Freiberg bedeutete dies inhaltlich vor allem die Integra­tion des zunehmend an Bedeutung gewinnenden Steinkohlenbergbaus und Eisenhüttenwesens in die Lehre und Forschung an der Bergakademie. Damit gelang Zeuner die notwendige Anpassung der Hochschule an die ökonomisch-technischen Entwicklungen im Montanwesen und damit die Sicherung der Existenz der Bergakademie Freiberg über das zu Ende gehende 19. Jahrhundert hinaus.

Infolge des 1. Weltkrieges und der sich ihm anschließenden politischen, sozialen und wirtschaftlichen Probleme verlor die Bergakademie Freiberg weitgehend ihren Rang als internationale Hochschule. Die parlamentarisch-demokratischen Ideale der jungen Weimarer Republik vermochten in Freiberg, wie auch an anderen Hochschulen Deutschlands, nicht Fuß zu fassen. Trotz der politischen und wirtschaftlichen Schwierigkeiten der ersten Jahrzehnte des 20. Jahrhunderts vermochte die Bergakademie Freiberg in Lehre und Forschung durchaus an ihre Erfolge aus dem vergangenen Jahrhundert anzuknüpfen. Es wurden Lehr- und Forschungsgebiete wie der Braunkohlenbergbau, die Elektrotechnik, die Geophysik, die Radiumkunde, die Bergwirtschaftslehre und das Bergrecht aufgebaut.

Die Wiederaufnahme des Lehr- und Forschungsbetriebes nach dem 2. Weltkrieg an der als eine der wenigen deutschen Hochschulen nicht von Kriegszerstörungen betroffenen Bergakademie Freiberg stand nach 1945 und 1946 ganz im Zeichen der politischen und wirtschaftlichen Neuordnung Europas. Die weitgehend intakte Bergakademie Freiberg mit ihrer Lehr -und Forschungskapazität besaß von Anfang an eine enorme wirtschaftliche und strategische Bedeutung. Der Wiederaufbau war nur mit Hilfe der an der Bergakademie lehrenden und von ihr ausgebildeten Fachleute im Bereich so wichtiger Grundstoffe wie Kohle, Eisen, Buntmetalle, Erdöl, Gas und Steinsalz möglich. Die Bergakademie Freiberg erlangte für die DDR eine wichtige Stellung und Bedeutung, die sie bis zur politischen Wende von 1989/1990 beibehalten hat. Die Bergakademie Freiberg versorgte die DDR-Volkswirtschaft mit akademischen ausgebildeten Fachkräften für alle Zweige des Montanwesens, der mineralischen Grundstoffindustrie, der Geowissenschaften sowie in Teilen auch der Bereiche Mathematik/Informatik, Chemie und Geophysik. Zu den klassischen Forschungsbereichen des Erzbergbaus, der Kohle- und Eisengewinnung traten der Kali- und Salzbergbau, die Erkundung von Öl- und Gasvorräten sowie neue Verfahren zur Aufbereitung, Weiterverarbeitung und  Veredelung der so gewonnenen Rohstoffe für die Industrie der DDR.

Mit dem politischen Umbruch in der DDR und der deutschen Wiedervereinigung von 1989/1990 verlor die Bergakademie Freiberg ihre Sonderstellung in der ostdeutschen Hochschullandschaft. Wie in allen ostdeutschen Hochschulen hinterließ der radikale politische und wirtschaftliche Umbruch tiefe Spuren im Gefüge der Bergakademie Freiberg. Dank der Initiative reformorientierter Kräfte innerhalb der Bergakademie Freiberg selbst gelang es in Freiberg innerhalb kürzester Zeit die Lage zu stabilisieren und die notwendigen Schritte zur Demokratisierung und Reform von Lehre und Forschung an der Bergakademie einzuleiten. Zum 1. April 1993 erfolgten die Namensänderung in „Technische Universität Bergakademie Freiberg“ und die Neugliederung der Hochschule in sechs Fakultäten für Mathematik und Informatik, für Chemie und Physik, für Geowissenschaften, Geotechnik und Bergbau, für Maschinenbau,  Verfahrens- und Energietechnik, für Werkstoffwissenschaft und Werkstofftechnologie sowie für Wirtschaftswissenschaften. Seit der Neustrukturierung und Reform erhöhten sich die Immatrikulationszahlen und Studentenzahlen kontinuierlich. Bis heute stieg die Zahl der Studierenden auf über 5500. Insbesondere durch die steigende Zahl ausländischer Studenten konnte die TU Bergakademie Freiberg an ihre Vergangenheit als internationaler Hochschulstandort anknüpfen. Es wurden zahlreiche Partnerschaften mit Hochschulen in aller Welt abgeschlossen. Möglich wurde dieser Neubeginn und seine konsequente Fortentwicklung durch eine auf Profilbildung in den Bereichen Material, Energie, Geo- und Umwelt konzentrierte Entwicklung von Lehre und Forschung an der Freiberger Hochschule. Sowohl durch die Beibehaltung der klassischen Montanwissenschaften als auch mit deren Ergänzung durch zukunftsweisende Material- und Halbleiterforschungsgebiete, durch eine auf geschlossene Stoffkreisläufe orientierte Umweltforschung hat sich die TU Bergakademie für den europäischen und weltweiten Wettbewerb im Hochschulwesen als eine moderne erstklassige Bildungseinrichtung aufgestellt. Die rasante Entwicklung der Wissenschaft und der permanente Zugewinn an neuem Wissen im vor uns liegenden 21. Jahrhundert erfordern eine ständige Anpassung und Neuausrichtung der Universitäten und Hochschulen. Das Feld der Sicherung und des nachhaltigen Umgangs auf dem Gebiet der unterschiedlichen Ressourcen für das Montanwesen wird eine herausragende ­Bedeutung erlangen.

x

Thematisch passende Artikel:

Ausgabe 11/2015

„Stärke und Selbstverständnis der TU Bergakademie Freiberg beruhen auf Nachhaltigkeit, Ausstrahlung und Innovation“

Anlässlich des 250. Gründungsjubiläums nahm die Redak­tion der AT MINERAL PROCEESING die Gelegenheit wahr, von Prof. Dr.-Ing. Bernd Meyer mehr über die Bedeutung der 250 Jahre für die TU...

mehr

Freiberger Forschende extrahieren aus Abfallstoffen Materialien für die Zukunft

Flüsse und Gräben reinigen und dabei wichtige Rohstoffe für die moderne Industrie und Wirtschaft aufzubereiten, ist das Ziel des neuen Großforschungsprojektes „rECOmine ZauBer“. In dem mit etwa...

mehr
Ausgabe 11/2015

Festveranstaltung zur Eröffnung des Freiberger ­Forschungsforums 2015

Im 250. Jubiläumsjahr der TU Bergakademie Freiberg be­grüßte Magnifizenz Prof. Dr.-Ing. Bernd Meyer am 17.06.2015 zahlreiche Teilnehmer in der Alten Mensa zur Eröffnung des Freiberger...

mehr

Präsenzveranstaltungen im Maschinenbau an der TU Bergakademie Freiberg sind möglich und gefragt

Seit Anfang August läuft die Einschreibung für das neue Studienjahr. Allerdings ist die coronabedingte Verunsicherung auch bei Studienanfängern groß. Vor allem wer ein Studienfach „zum Anfassen“...

mehr
Ausgabe 01-02/2016

Jahrestagung „Aufbereitung und Recycling 2015“ in Freiberg

Die am 11. und 12. November 2015 seit 1998 regelmäßig abgehaltene Jahrestagung „Aufbereitung und Recycling“ reihte sich in die aus Anlass des 250. Jahrestages der Gründung der Bergakademie...

mehr