Ressourcenpotenzial auf dem Balkan – ein interessantes Terrain für die deutsche Wirtschaft

Unter dem Thema „Erschließung und Entwicklung von Geopotenzialen; Anwendung innovativer Verfahren zur Verbesserung der Nutzung natürlicher Ressourcen“ führte das Geokompetenzzentrum e. V. Freiberg (im Weiteren GKZ) unter Leitung des Geschäftsführers Dr. Wolfgang Reimer, der auch die Moderation übernahm, am 24.11.2016 in Freiberg/Sachs. eine Informationsveranstaltung mit Schwerpunkt ­Albanien, ­Kosovo und Mazedonien durch. Es handelt sich dabei um ein Markterschließungsprogramm des Bundesministeriums für Wirtschaft (BMWi), das den Balkan hinsichtlich seines Ressourcen­potenzials und der geostrategischen Rolle bei der europäischen Zusammenarbeit als Schlüsselregion einordnet.

In seiner Eröffnungsrede wies Dr. Reimer darauf hin, dass die Veranstaltung nicht nur der Information über die genannten Länder dienen soll, sondern als Auftakt für eine Reihe­ ­weiterer Veranstaltungen gesehen wird, in die alle weiteren Länder integriert werden sollen. Dr. Reimer äußerte den Wunsch, Albanien, Kosovo und Mazedonien mögen Zugang zur EU finden, damit sie konkret in die Strategien und in vertragliche Vereinbarungen einbezogen werden können.

Das gewählte Tagungsprogramm basierte auf der Philosophie, einerseits mineralische Rohstoffe zu berücksichtigen, andererseits aber auch sog. Nischen (z. B. Geotourismus) vorzustellen und Erfahrungen von Unternehmern darzustellen. Dabei würden nicht nur Chancen, sondern auch Schwächen offenbart, die für eine zukünftige Nutzung der Ressourcen von großer Bedeutung sind. Ziel der Veranstaltung sei es, den guten Geist von Informationsveranstaltungen über Georessourcen weiterzuführen. Daran sollte sich dann eine umfangreiche und gezielte Markterkundung anschließen.

Zum Markterschließungsprogramm des BMWi gab Dr. ­Reimer ein kurzes Statement für den erkrankten Referenten des ­Ministeriums. Angesprochen wird damit der in Deutschland so wichtige Mittelstand (Mittelstandsquote ca. 98 %). Zwei Wege lassen sich beschreiten: entweder den Zielmarkt nach Deutschland holen oder in die Zielmärkte gehen, um danach eine Geschäftsanbahnung zu realisieren.

Wirtschaftspolitische Rahmenbedingungen und Markerfahrung

Im ersten Beitrag dieses Blocks beleuchtete Frau Maxi Hinze, Deutscher Industrie- und Handelskammertag, Berlin mit ihren Ausführungen zur „Wirtschaftlichen Entwicklung in den ­Ländern Albanien – Kosovo – Mazedonien“ die wirtschaftliche Lage in den genannten Ländern. In Albanien ist ein positiver Trend zu verzeichnen (BIP 2016 geplant 3,3 %, realistisch vermutlich 4 %), es bestehen gute Chancen für ausländische ­Zulieferer. Außerdem wurden Großprojekte für die Modernisierung der Infrastruktur in den Sektoren Energie und Transport aufgelegt. Wichtigster Handelspartner ist Italien, Deutschland spielt dagegen noch eine geringe Rolle.

Die Kernbotschaft im Kosovo ist eine positive Konjunkturentwicklung. Für 2016 ist ein BIP-Wachstum auf 4 % geplant. Steigende Importzahlen und eine Steigerung der ausländischen Direktinvestitionen sind für das Kosovo kennzeichnend. Anders stellt sich dagegen die Lage in Mazedonien dar. Es bestehen geschwächte Wachstumsaussichten durch innerpolitische Krisen, dies führt wiederum zu Vertrauensverlusten bei den Investoren. Einen Lichtblick stellt der starke private Konsum dar. Deutschland ist der stärkste Handelspartner für Mazedonien.

Die Aktivitäten der Deutschen Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit GmbH (GIZ) zur nachhaltigen Wirtschaftsentwicklung der drei Balkanländer stellte Frau Elena Lau vor und zeigte die Kooperationsmöglichkeiten mit der deutschen Wirtschaft auf. Die durch das GIZ in Albanien, dem Kosovo und Mazedonien gestarteten Projekte gehen in Richtung EU-Integration. Während in den beiden erstgenannten Ländern sehr viele größere Projekte aufgelegt wurden, handelt es sich in Mazedonien mehr um Regionalprojekte. Nähere Ausführungen betrafen das Kosovo, dort besteht der Vorteil, dass viele deutschsprachige Menschen anzutreffen sind. Als Beispiel wurde das Teilprojekt „Industrieminerale“ (Halloysit, Magnesit, Talk, Diatomit, Bentonit)  innerhalb des Förderprojektes COSiRA vorgestellt, für das das Auswärtige Amt 2016 100 000 € bereitgestellt hat.  Damit sollen lokale Wirtschaftsketten aufgebaut sowie die Anbahnung von Lieferbeziehungen zu deutschen Unternehmen befördert werden.

Michael Schmidt, INEAST Consulting, Bonn beurteilte in seinem Beitrag die Chancen und Risiken eines Unternehmers beim Markteintritt auf dem Balkan. Zunächst wurde der Wirtschaftsraum Balkan definiert und etwas provokant die Frage gestellt, ob der Balkan ein Markt oder ein Mysterium ist. Der Referent stellte die Gemeinsamkeiten und die Unterschiede der einzelnen Länder heraus, die bei einem Markteintritt unbedingt zu berücksichtigen sind. Das Geschäftsumfeld wurde als schwierig (Korruption), aber unter bestimmten Bedingungen als durchaus kontrollierbar bezeichnet. Wertvolle Hinweise gab es auch bezüglich der Geschäftspraxis (Vorzug der mündlichen Kommunikation, Verhandlungen in entspannter Atmosphäre, Vermeidung von Reden über Politik in großer Runde, Geschenke werden als normale Zeichen des Respekts gesehen). Zurzeit findet ein Umbruch des Bildungssystems statt; das ­Ausbildungswesen ist nicht am Bedarf der Industrie/Infrastruktur orientiert. Chancen werden hier durch die Nutzung von Studienprogrammen der Deutschen Wirtschaft gesehen, beispielsweise die duale Ausbildung vor Ort und in Deutschland. Abschließend benannte der Referent  noch Partner für den Markteinstieg, z. B. die Botschaften und Konsulate, aber auch die Verbände wie IHK, DIHK, GKZ oder BGA; Finanzierungspartner können BMWi, BAFA u.a. sein. Wichtig sei, die Vorteile des Balkans zu erkennen: die Länder haben europäische Wurzeln und liegen praktisch vor der Haustür, was für KMU wegen des erheblich geringeren Aufwands gegenüber 
­z. B. Chile oder China ganz wesentlich ist.

Industrieerfahrung und Geschäftsfelder

Christoph Scheibert, GEOCON Jena eröffnete diesen Vortragsblock mit seinen Ausführungen zu „Markterschließung als erster Schritt - Erfahrungen eines Geo-Consulters im internationalen Geschäft“. Er berichtete über verschiedene Aktivitäten, die das Unternehmen seit 1989 in den verschiedensten Ländern (Emirat Katar, Vietnam, Russland, Balkan)  in Form von Leistungen oder Projekten durchgeführt hat. Die Markt­erschließungsaktivitäten in den Zielländern wurden sehr ernüchternd eingeschätzt: bisher gab es keine Projekte, nur Kosten und einige Kooperationen. Insbesondere für Dienstleistungen im Umweltbereich findet man viele Stolpersteine: unzuverlässige Partner, Unfairness und Betrug, wechselnde Ansprechpartner und eine Vorteilserwartung. Positiv sei aber trotz alledem das Bekanntwerden des Unternehmens zu werten. Ein Dilemma ist außerdem, dass ein Consultingunternehmen keine Finanzierung mitbringt, sondern bezahlt werden muss. Und so mahnte der Referent an: „Deutschland gibt viel Geld für die Entwicklung in den verschiedenen Ländern aus, tut aber nichts dafür, dass dieses im Consultingbereich zurück gegeben wird.“

Dr. Andreas Barth, BEAK Consultants, Freiberg konnte von positiven Erfahrungen berichten und stellte eingangs die Frage „Ist Kosovo bereit für Investitionen im Bergbausektor?“. Regierungsseitig wurden in hervorragender Weise die Voraussetzungen geschaffen, um ein umfangreiches Informationssystem gemeinsam mit den Kollegen aus dem Kosovo einzurichten. Aus den erstellten Datenbanken (Lagerstättenkataster, Bergbaukataster, Bergbaulizenzen) wurden entsprechende geologische Karten erarbeitet. Der Referent kam zu folgenden Schluss­folgerungen: Kosovo

verfügt über ein beträchtliches Potenzial an mineralischen Rohstoffen

betrachtet Bergbau als einen ökonomischen Schlüsselfaktor

unternimmt große Anstrengungen, um Investoren heranzuziehen

verfügt über eine einzigartige Zusammenstellung geolo­gischer und geoökonomischer Daten

hat hervorragende gesetzliche Rahmenbedingungen geschaffen.

Damit zeigt sich eindeutig: Kosovo ist bereit für Investitionen im Bergbau.

Die Aussagen wurden durch Azem Rexhaj, Aufsichtsratsmitglied der „Independence Commission for  Mines and Minerals“ im Kosovo in seinem Beitrag „Bergbausektor im Kosovo – Bergbauentwicklungen, Infrastruktur, Energie und rechtliche Rahmenbedingungen“ bestätigt. Anhand einer geologischen Karte vom Kosovo gab er einen umfassenden Überblick über die Art, Menge und Verteilung der Rohstoffe (beispielsweise 12,5 Mrd. t Braunkohle, 60 Mio. t Pb und Zn, 13 Mio. t Ni). Im Energiesektor ist eine Regulierungsbehörde tätig, in deren Verantwortungsbereich Lizensierungen, Genehmigungen und Tarife liegen. Die aktuellen und geplanten Energiekapazitäten zeigen, dass es keine Energieprobleme im Bergbausektor geben wird. Die Verkehrsinfrastruktur schätzt der Referent sehr gut ein, es sind weitere Projekte zur Verkehrsanbindung mit Zentral­europa geplant. Weitere Aussagen betrafen Genehmigungsverfahren, Abgabegebühren (Royalty sowie Explora­tionsgebühr).

Mit seinem Beitrag „Geotourismus auf dem Balkan – ein Wirtschaftsfeld mit Zukunft“ führte Gezim Tarko, Ada-Reiseagentur Tarko, Tirana das Auditorium in die bezaubernde Landschaft Albaniens und stellte damit einen der eingangs erwähnten Nischenmärkte vor. Der Referent beschrieb eine einwöchige geologische Tour, die im Juni 2016 durchgeführt wurde und ein großes Echo fand. Das Tourismusgeschäft blüht und weitere Touren sind geplant.

Rohstoffwirtschaft

Eine geologische und rohstoffkundliche Landesaufnahme Albaniens nahm Prof. Dr. Kujtim Onuzi, Institut für Geowissenschaften, Energie, Wasser und Umwelt, Tirana in seinem Beitrag vor. Er gab einen umfassenden Überblick über die Geologie Albaniens und ging detailliert auf die Hauptrohstoff­gruppen  (Erze, nichtmetallische Rohstoffe und Energierohstoffe) ein. Daraus leitete er den Handlungsbedarf und das Kooperationspotenzial ab. Bisher gibt es schon eine gute Zusammenarbeit mit Deutschland auf wissenschaftlichem Gebiet, beispielsweise Kooperationen mit BEAK Consultants GmbH Freiberg oder GEOS Jena. Der Referent gab aber dem Wunsch Ausdruck, die deutsche Regierung möge den deutschen Unternehmen Fördermittel zur Verfügung stellen, damit diese in Albanien investieren könnten.

Mit der „Einführung zum Bergbau Mazedoniens“ gab Nikolajce Nikolov, Präsident des Mazedonischen Bergbauverbandes, Skopje einen ausführlichen Überblick über Mazedonien allgemein und über den Bergbau im Besonderen. Das Land ist reich an Erzen und Mineralien, die zum großen Teil noch nicht gefördert werden. Ein kleiner Teil wird erkundet, aber es sollen neue Bergbaubetriebe eröffnet werden. Hauptenergierohstoff ist Braunkohle – 70 % der Energie stammt daraus. Bei den Erzen gibt es z. Z. 13 Konzessionen für den Abbau, aber nur 4 werden tatsächlich genutzt. Die nichtmetallischen ­Rohstoffe (Marmor, Kaolin, Kalkstein, Ton) gelangen in die Baustoffproduktion. Die Vergabe der Konzessionen für den Abbau der Steinbrüche verläuft ziemlich planlos und es gibt große Umweltprobleme. Bisher existiert keine nationale Rohstoffstra­tegie. Abschließend stellte der Referent den Tagebau Bucim vor, das wichtigste Bergwerk für Cu, Au und Ag. 2012 wurde eine neue Aufbereitungsanlage installiert, die die Erzeugung eines 99,9995 %igen Cu aus einem Erz mit nur 0,24 % Cu erlaubt.

Den Abschluss dieses Vortragsblocks bildeten die Ausführungen von Arthur Furriku, Arsi Sh.p.k., Tirana (100 %ige Tochter der Arsi Mineralgesellschaft Berlin) über den Chromerzabbau in Albanien. Forschung ist unbedingt erforderlich, denn zusätzlich gibt es Vorkommen an Au, Pt und Seltenen Erden. Die Lagerstätten sind sehr günstig, in der Nähe ist keine Besiedlung und daher sind die Umweltauflagen gering. Investitionen, auch im Umweltschutz, sind dringend erforderlich.

Schlussbemerkungen

Dr. Reimer konnte mit Befriedigung feststellen, dass die Resonanz zu der Informationsveranstaltung erfreulich hoch war. Auch die lebhafte Diskussion offenbarte das Interesse an entsprechenden Geschäftsanbahnungen in den vorgestellten neuen Märkten. Die über 40 Teilnehmer waren auch insofern ein gutes Zeichen, da sie als Multiplikatoren wirken. Allerdings vermisste der Veranstalter die großen Verbände wie VDMA oder BDI, die wiederum ihre Mitglieder aus erster Hand hätten entsprechend informieren können. Insofern sind sie – wie Dr. Reimer ­betonte – ihrer Pflicht als Dachverbände in diesem Fall nicht nachgekommen. Positiv ist die Aushändigung der Rohstoffstudien Albanien und Mazedonien sowie der Informationsblätter des BMWi zur Markterschließung für KMU mit entsprechenden Förderschwerpunkten für die interessierten Unternehmen und sonstige Teilnehmer zu bewerten. Insgesamt also eine Veranstaltung, die sich für die Teilnehmer gelohnt haben dürfte und dem Anliegen des BMWi, KMU, Selbstständigen der gewerblichen Wirtschaft sowie fachbe­zogener freier Berufe und wirtschaftsnahen Dienstleistern mit Geschäftsbetrieb in Deutschland den Einstieg in neue Märkte zu erleichtern, gerecht geworden ist.

Autorin: Dr. Brigitte Hoffmann, Consulting Kreislaufwirtschaft und Umweltschutz, Oberschöna/Deutschland

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