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Balgzylinder in der Kohlemühle als verschleißfreie Alternative zu Metallzylindern

Die Umgebungsbedingungen innerhalb einer Kohlemühle sind rau. Kohlenstaub und Vibrationen sorgen für eine extreme Beanspruchung von Materialien (Bild 1). Unter anderem nutzen sich die hydraulischen Anpresszylinder, die den Anpressdruck auf das Mahlwerk gewährleisten sollen, schnell ab. Der englische Hersteller FTL Seals Technology bezifferte die Lebensdauer der hydraulischen Komponenten in einer Kohlenmühle mit gerade mal drei Monaten. Seit über zehn Jahren setzen die Ingenieure deshalb auf eine pneumatische Lösung: Die Kolbenstangen werden mit Rollbälgen bewegt, die sich in der Kohlemühle durch eine bis zu zehnfache Lebensdauer gegenüber herkömmlichen Zylindern und durch ölfreien Betrieb auszeichnen.


1 Funktionsweise
Balgzylinder sind formstabile Elemente aus hochanspruchsvollen Elastomerqualitäten mit einvulkanisierten textilen Festigkeitsträgern. Im Wesentlichen produziert ContiTech zwei Grundkonstruktionen: den Faltenbalg und den Rollbalg. Die an pneumatische Funktionen angepassten Balgzylinder erzeugen die Bewegung über die Walkung der hochflexiblen Außenhülle. Kolbenstange und damit Führungs- und Dichtungselemente entfallen innerhalb des Balgzylinders. Mittels Luftzufuhr hebt das von ContiTech produzierte Element z. B. Lasten, genau wie ein einfach wirkender Pneumatikzylinder. Der Hub kann auf unterschiedliche Weise realisiert werden: mit ölfreier oder ölhaltiger Druckluft oder wahlweise auch mit anderen gasförmigen Medien, zum Beispiel Stickstoff. In Niederdruckbereichen sind auch hydraulische Medien wie Wasser oder Glykol zulässig.


2 Leistung
Der Maximaldruck der Balgzylinder in Standardausführung beträgt 8 bar. Für höhere Anforderungen gibt es verstärkte Ausführungen. Allein mit 8 bar Innendruck sind Press- und Tragkräfte von 0,5 bis 440 kN erreichbar – Standardprodukte mit 1000 mm Durchmesser können dann 44 t Masse anheben. Der Hub reicht je nach Typ bis 455 mm, und das ohne Stick-Slip-Effekt: Auch bei geringsten Druckänderungen erfolgt der Hub ruckfrei. Balgzylinder können außerdem gekippt werden. Winkel von 5° bis zu 30° und ein Seitenversatz von bis zu 20 mm sind möglich. Auf bestimmte Verbindungselemente und Gelenkkonstruktionen kann so verzichtet werden. Vielfältige Sonderausführungen sind verfügbar, z. B. Tief- oder Hochtemperaturzylinder für An-wendungen bei bis zu –60° C oder 130° C Spitzentemperatur.


3 Beständigkeit und Lebensdauer
Da sie ohne mechanisch bewegte Teile auskommen, sind Balgzylinder im Vergleich zu herkömmlichen Zylindern verschleiß- und wartungsfrei: Umgebungsbedingungen wie Schmutz, Staub, Granulat oder Schlamm haben keinen negativen Einfluss auf die Lebensdauer. Auch vielen Chemikalien hält bereits der Standard-Balgzylinder mühelos stand. Für besondere Anforderungen, z.B. aggressive chemische Verbindungen, stehen spezielle Elastomere zur Verfügung. Die Standardbälge sind ausgelegt für Temperaturen von –30° C bis 70° C. Es gibt auch Ausführungen für andere Einsatzbedingungen: etwa als Tieftemperaturzylin-der (–60 ° C) in der Holzindustrie oder als Hochtemperaturzylinder für die Glas- und Papierindustrie (bis zu 115° C Dauer- und 130° C Spitzentemperatur).


4 Ausführungen
ContiTech produziert viele Ausführungen des Balgzylin-ders, die sich in zwei Grundvarianten unterteilen lassen: in Faltenbälge und Rollbälge. Ein-, Zwei- und Dreifaltenbälge haben eine sehr niedrige minimale Höhe (Bild 2) und niedrige Rückstellkräfte. Im Vergleich zu Faltenbälgen haben Rollbälge einen kleineren Durchmesser bei gleicher Maximalkraft und eine über den Hub nahezu konstante Kraftabgabe. Das Stan-dardprogramm umfasst:

• Einfaltenbälge für Hübe bis 164 mm und Hubkräfte bis 440 kN
• Zweifaltenbälge für Hübe bis 400 mm, Hubkräfte bis 410 kN
• Dreifaltenbälge für Hübe bis 455 mm und Hubkräfte bis 440 kN
• Schlauchrollbälge für Hübe bis 105 mm und Hubkräfte bis 11 kN
• Rollbälge für Hübe bis 280 mm und größte Hubkräfte bis 55 kN


5 Anwendungsbeispiel Kohlemühle
Die Verwendung von Balgzylindern war für die Firma FTL Seals Technology die Antwort auf die schwierigen Umgebungsbedingungen innerhalb einer Kohlemühle. FTL Seals Technology stellt Anpresszylinder her, die das Mahlwerk einer Mühle mit bis zu 20 bar gegen das Mahlgut pressen. Die Zylinder sorgen für einen gleichmäßigen einstellbaren Anpressdruck und gleichen auch die Abnutzunen an den Mahlkugeln aus. Eine gewisse Nachgiebigkeit ist ebenfalls gefordert, wenn die Mahlkugeln über größere Kohlestücke rollen.

Bis Mitte der neunziger Jahre waren Kohlemühlen üblicherweise mit klassischen Metallzylindern ausgerüstet, deren Kolben hydraulisch bewegten. Die Lebensdauer der Metallzylinder aber erwies sich unter den Einsatzbedingungen als unzureichend: Kohlenstaub setzte sich auf Dichtungen und Kolbenstangen ab und wirkte wie Schmirgelpapier. Unter den ständigen Vibrationen entstandenen Leckagen, die regelmäßig für Betriebsstörungen sorgten, von Verunreinigungen durch Öl bis hin zu Stillstand der gesamten Mühle. Der Hersteller dokumentierte eine Lebensdauer von im Schnitt drei Monaten, dann erlagen die Zylinder dem Verschleiß und mussten ausgetauscht werden. Mitte der neunziger Jahre wurden die ersten Zylinder umgebaut und die hydraulische durch eine pneumatische Lösung ersetzt. Ein Rollbalgzylinder mit verstärkter Karkasse erbringt nun innerhalb des Anpresszylinders den Druck. Die zylindrische Mantelfläche passt sich an die Außenhülle des Anpresszylinders an, der Hub wird durch die abriebfreie Abrollbewegung des Balgs ausgeführt.

Die für die Kohlemühle mit Stickstoff betriebenen Balgzylinder bewährten sich unter den widrigen Umständen: Das Produkt arbeitete ohne gleitende Dichtungen – und ohne Öl. Die Nennlebensdauer der neuen RodasRam-Zylinder wurde um das Zehnfache gesteigert. In einer extremen Anwendung in einem Kohlekraftwerk in Südafrika arbeiten die Zylinder bereits seit mehr als fünfeinhalb Jahren. Mittlerweile versorgt das Produkt mit den eingebauten wartungsfreien Balgzylindern Kohlemühlen (Bild 3) und andere Mühlen in England, Mexiko, Holland, Indien oder Südafrika mit dem richtigen Druck.

Dr. Olaf Kluth,
ContiTech Air Spring Systems
ContiTech AG, Hannover (D),
+49 511-938-02,
www.contitech.de

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