Energiequellen

Die Chancen einer nachhaltigen Energieversorgung - Teil 1

Zusammenfassung: Die Menschheitsgeschichte wurde und ist stark durch den Gebrauch der unterschiedlichen Energieträger geprägt. Zunächst basierte die Energieversorgung auf ­regenerativen Energien. Seit Beginn des Industriezeitalters werden hauptsächlich fossile und seit Mitte des 20. Jahrhunderts zusätzlich nukleare Energieträger genutzt. Bei momentanem Verbrauch reichen die Vorräte noch für mehrere Jahrhunderte, wobei nach heutiger Kenntnis das Fördermaximum zunächst für konventionelles Erdöl in wenigen Jahrzehnten und eine daraufhin anschließende Verknappung erwartet werden. Die Vorräte an Gas, Kohle und spaltbaren Elementen sind jedoch erheblich größer. Die technische Entwicklung ermög­licht zunehmend regenerative Energien in immer größerem Maße zu nutzen. Jedoch ist der Gebrauch von erneuerbaren Energien an Energieflüsse gekoppelt und damit an einer Fläche, so dass der Umfang der Nutzung begrenzt ist. Die notwendige großräumige Energiewandlung ist mit Risiken verbunden, so dass die ökologischen, sozialen und politischen Auswirkungen bisher noch nicht absehbar sind. Deshalb sollten bei der Ausrichtung von Forschung und Entwicklung sowie für die Versorgung der Menschen mit Energie zukünftig weiterhin alle Energieträger berücksichtigt werden.

1 Einleitung

Die gesellschaftlichen Herausforderungen, Auseinandersetzungen und Regelungen zur Energieversorgung sind so alt wie die Menschheit. Das Energieproblem war neben der Versorgung mit Nahrungsmitteln immer ein zentrales Thema. In der Zeit bis zur industriellen Revolution lebte der Mensch überwiegend im Gleichgewicht und im Einklang mit der Natur. Auf der Erde konnten nur so viele Menschen leben, wie sie in der Lage waren, auch regenerative Energien zu nutzen. Die Entdeckung des Feuers ermöglichte ihnen durch Verbrennen von nachwachsenden Stoffen, wie Holz oder Stroh, die Wärme zum Kochen und zur Heizung, aber auch zum Schmelzen und Brennen von mineralischen Rohstoffen zu nutzen. Die Nutzung der Energie von Tieren sowie aus Wind und Wasser diente dem Transport von Gütern und Menschen, trieb erste Maschinen zur Förderung, Aufbereitung und Verarbeitung von pflanzlichen und mineralischen Rohstoffen an.

Zu dieser Zeit geriet das Gleichgewicht häufig durch Witterungseinflüsse (z. B. Dürreperioden, Fluten, kalte Winter) und Überinanspruchnahme der Natur außer Kontrolle, mit der Folge, dass viele Menschen Not litten und starben. Um solche Auswirkungen zu reduzieren, wurden spezielle Bewirtschaftungsmethoden der Felder, Weiden, Wälder und Flüsse eingeführt, wie beispielsweise die Haubergswirtschaft im Siegerland. Angepasst an die klimatisch ungünstigen Verhältnisse lieferte diese Waldwirtschaft seit Jahrhunderten (1467 erstmals erwähnt) bis Anfang des 20. Jahrhunderts in einem etwa 18-jährigen Einschlagrhythmus Holz zum Verfeuern und zur Erzeugung von Holzkohle für die Eisenhütten sowie vor dem Holzeinschlag Eichenlohe aus geschälter Rinde als Gerbmittel für die Lederindustrie. Zwischen den Holzeinschlägen diente der Hauberg als Waldweide zur Viehzucht und dem Anbau von Winterroggen [1, 2, 3].

Abhängig von den klimatischen und geologischen Bedingungen entwickelte so der Mensch weltweit lokal die unterschiedlichsten Wirtschaften. Trotzdem waren Krisen häufig, aber ebenso Anlass, weitergehende Konzepte zur Nutzung der Erde zu entwickeln. Auch die Idee der Nachhaltigkeit entstand aufgrund des Holzmangels infolge der übermäßigen Nutzung von Holz für den Grubenausbau und das Feuersetzen beim Erzabbau sowie für die Erzeugung von Holzkohle für die Metallhütten des Erzgebirges. Hanns Carl von ­Carlowitz entwickelte deshalb zu Beginn des 18. Jahrhunderts ein Konzept einer Lösung und prägte erstmalig in seinem Buch Sylvicultura oeconomica den Begriff Nachhaltigkeit [4] (Bild 1).

Mit Beginn der industriellen Revolution im 18. Jahrhundert änderte sich die Menschheitsgeschichte grundlegend. Die industrielle Revolution begann, als der Mensch lernte, fossile Energieträger zu nutzen, zunächst Kohle, dann Öl und später Gas und schließlich ab Mitte des 20.Jahrhunderts noch zusätzlich die nuklearen Energieträger. Die unterschiedlichen Industriezweige, beispielsweise der Maschinenbau oder die Chemie, sowie Wissenschafts­disziplinen, insbesondere die natur- und ingenieurwissenschaftlichen, entwickelten sich – bis heute zunehmend dynamischer. In der Folge wuchs die Weltbevölkerung und brachte für viele Menschen einen bisher nicht erreichten und möglich gehaltenen Wohlstand. Grundlage dieser Entwicklung war der steigende Gebrauch von Energie, insbesondere der der fossilen Energieträger. Heute basiert die Versorgung der Menschheit mit Energie überwiegend immer noch auf der Nutzung fossiler Energieträger mit einem Anteil von über 80 %. Regenerative Energieträger leisten bisher erst einen Beitrag von nicht einmal einem Siebtel zum Weltenergiebedarf [5, 6, 7] (Bild 2).

Für viele Menschen, insbesondere in den entwickelten Volkswirtschaften und zusehends auch in den Schwellenländern, ist es heute selbstverständlich, Energie jederzeit in ausreichender Menge und gewünschter Art zu nutzen, sei es für Beleuchtung und Mobilität oder zum Kochen und Heizen. Deshalb steigt der Energiegebrauch weiterhin ungebrochen. In den letzten Jahrzehnten wurde aber auch wieder deutlich, dass der zunehmenden Nutzung von Energie Grenzen gesetzt sind. Die Vorräte an fossilen und nuklearen Energiearten sind begrenzt, und die Auswirkungen der Nutzung dieser Energien sind häufig mit negativen Aspekten, wie der Einfluss auf das Klima, die Luft, das Wasser oder die Böden, verbunden. Die Menschheit lebt nicht mehr im Gleichgewicht und im Einklang mit der Natur. Bisher überdeckte und löste der technische Fortschritt viele negative Folgen der steigenden Energienutzung (z. B. durch Filter- und Rauchgasentschwefelungsanlagen), aber einem steigenden Anteil der Bevölkerung ist bewusst, dass nach nachhaltigen Lösungen zum Energieproblem gesucht werden muss und solche hoffentlich auch gefunden werden können. Dabei besteht bei vielen die Illusion, dass eine zukünftige Energieversorgung ausschließlich auf regenerative Quellen ohne Beeinträchtigung ihres Umfeldes und der Umwelt bei Beibehaltung ihres Wohlstandes basieren könnte. Im Folgenden sollen deshalb die energetische Situation zunächst analysiert und dann mögliche Lösungsszenarien aufgezeigt und bewertet werden.

2 Energiebedarf

Die weltweite Energienutzung der Menschen ist lokal höchst unterschiedlich. Abhängig vom Wohlstand, Klima und von der Struktur der Volkswirtschaft beträgt der jährliche Primärenergiebedarf pro Einwohner weniger als 10 GJ in vielen Entwicklungsländern, wie in Äthiopien und im Kongo, oder er überschreitet ein Niveau von 100 GJ in den Industrie-ländern, z. B. in Deutschland und in den USA. Auch wenn es keine exakte Korrelation zwischen Wohlstand und Energiebedarf einer Gesellschaft gibt, so ist trendmäßig davon auszugehen, dass die angestrebten besseren Lebensumstände den Bedarf an Energie erhöhen [8, 9] (Bild 3). Selbst die Umwandlung einer Industriegesellschaft in eine Servicegesellschaft hat sich als volkswirtschaftlicher Irrtum erwiesen, da sowohl die nationalen Energiebilanzen aufgrund des mit dem Güterimport zwangsläufig verbundenen indirekten Energieimports (energetischer Fußabdruck) angepasst werden müssten als auch deren Energieintensität (z. B. durch Gütertransport oder durch Rechner) völlig unterschätzt wurde.

Zusätzlich steigert die wachsende Erdbevölkerung, insbesondere in den Entwicklungsländern, den Bedarf. Bis zum Jahr 2050 werden über 9 Milliarden Menschen prognostiziert [10, 11] (Bild 4). Eine reduzierende Wirkung auf den Energiebedarf hat die Wirkungsgraderhöhung technischer und volkswirtschaftlicher Prozesse und Systeme. Damit sind aber erhebliche Investitionen verbunden sowie technische und soziale Entwicklungen notwendig. Aus diesen Gründen unterscheiden sich die Prognosen hinsichtlich der Wachstumsraten und der genutzten Primärenergiearten erheblich (siehe z. B. [5, 6, 12, 13, 14, 15]). Sie reichen vom Nullwachstum in Folge von immer rationellerer Energienutzung bis hin zu Erwartungen, die innerhalb der nächsten 50 Jahre von einer Verdoppelung des Energiebedarfs auf etwa 1000 EJ/a ausgehen (Bild 5).

Die Prognosen, die ein Nullwachstum vorhersagen, basieren auf Konzepten, die eine deutliche technische und soziale Effizienzsteigerung der Energiewandlung und des Energiegebrauchs annehmen. Solche Konzepte gehen beispielsweise davon aus, dass die Industrieländer ihre Energienutzung pro Kopf stärker reduzieren als die Entwicklungsländer ihre steigern, mit dem Ziel, dass sich die Energienutzung über die Zeit einem gemeinsamen Wert annähert (z.B. Kontraktion-und-Konvergenz-Modell, 2000-Watt-pro-Kopf-Gesellschaft-Modell). Dabei sollen historische Entwicklungsstufen der Industrieländer in den Entwicklungsländern vermieden und durch Wissens- und Kapitaltransfer Entwicklungssprünge (Leapfrogging-Strategie) ermöglicht werden, d. h. energieintensive Technologien werden in den Entwicklungsländern erst gar nicht, sondern gleich die neuesten effizientesten Technologien eingesetzt. Einhergehen soll dabei eine Entkopplung des Energiegebrauchs und des Wirtschaftswachstums bzw. Wohlstands (Entkopplungs-Strategie) [14]. Ohne Bewusstseinsänderung, ohne ein anderes Verständnis von Lebensqualität und Wohlstand wird dieses Ziel, insbesondere in den Industrieländern, nicht erreichbar sein.

Bisherige volkswirtschaftliche Erfahrungen zeigen eher gegenteilige Wirkungen. Energieeinsparungen und die effizientere Nutzung der Energie führen häufig nicht zur Senkung des Gesamtenergieverbrauches, sondern zur vermehrten Nutzung von effizienteren Technologien und Produkten bzw. zur Erschließung neuer Märkte, mit der Folge, dass das Einsparpotenzial nicht oder nur unvollkommen umgesetzt (Jevons’ Paradoxon, Rebound-Effekt) oder sogar durch einen höheren Verbrauch überkompensiert wird (Backfire-Effekt).

Zur Abschätzung eines realistischen Szenarios ist deshalb zunächst zu bedenken, dass der Gesamtenergiebedarf Eges der Menschheit multiplikativ mit den drei Haupteinflussfaktoren verknüpft ist:

 

Eges = EB ∙ ((eb ∙ ew)/ ee)

mit EB Basisenergiebedarf

eb Bevölkerungsfaktor

ew Wohlstandsfaktor

ee Effizienzfaktor


Unter der Annahme, dass zur Mitte des 21. Jahrhunderts die Menschheit von heute 7 Milliarden auf 9 Milliarden Menschen wächst und der Energiegebrauch für ein Drittel der Menschheit gleich bleibt, aber sich insbesondere für die ärmeren zwei Drittel verdreifacht, so müsste sich der Effizienzfaktor mehr als verdoppeln, um den Gesamtenergiebedarf auf heutigem Niveau konstant zu halten. Das ist jedoch unrealistisch. Bei dieser Abschätzung ist insbesondere auch zu beachten, dass alle Konzepte einer zukünftigen Energienutzung von einem steigenden Anteil der Elektroenergie an der Primärenergiewandlung ausgehen. Von heute rund 16 % steigt der Stromanteil beispielsweise im Wachstumsszenario und im Energie(r)evolutions-szenario auf ca. 21 % [13] (Bild 6). D. h. die am einfachsten und vielfältigsten einsetzbare Energieform mit der in der Regel längsten Wandlungsprozesskette (Ausnahme z. B. Fotovoltaik) und damit häufig mit dem ungünstigsten Gesamtwirkungsgrad, wächst überproportional. Aus diesen Gründen ist es höchst wahrscheinlich, dass für die überschaubare Zukunft mehr Energie zur Verfügung gestellt werden muss und wird. Die zentralen Fragen sind deshalb, wie der wachsende Energiebedarf gedeckt werden kann, und in welchem Umfang die einzelnen Energiequellen einen Beitrag dazu leisten können.


3 Energiequellen

Zur Abdeckung des Energiebedarfs stehen unterschiedliche Energiequellen zur Verfügung. Primär dienen die Sonne, die Erde und der Mond als Energiequellen (Bild 7). Aus deren Energievorräten E wurde und wird die Erdoberfläche ständig mit Energie E˙i in Folge von Strahlung, Wärmeleitung oder wechselnder Gravitation versorgt. Durch natürliche Umsetzung Cn mit den verschiedenen Medien, wie Wasser, Luft, Gestein oder Biomasse können diese Energiearten weiter gewandelt werden. Diese Energien, auch regenerative Energien genannt, sind jedoch direkt oder indirekt an Energieflüsse E˙js gekoppelt.

Eine Sonderstellung nimmt die Kernfusion ein, da der Brennstoff für diese Reaktion de facto unbegrenzt verfügbar ist [16]. Fusionskraftwerke werden jedoch, sofern sie überhaupt großtechnisch realisierbar sind, erst in einigen Jahrzehnten zur Verfügung stehen. Deshalb sollen sie im Rahmen dieser Betrachtung auch nicht weiter berücksichtigt werden.

Fossile und nukleare Energieträger greifen auf Energie ET zurück, die in der Erdkruste gespeichert ist. Die Speicherung erfolgte mit der Entstehung der Erde in Form von z. B. Einlagerungen von Nukleiden in Gesteinen oder während der Erdgeschichte durch Ablagerung und Umwandlung von Biomasse. Auch heute noch wird der Erdkruste Energie E˙js3 zugeführt, etwa durch Sedimentation von Biomasse oder Wärmeleitung infolge radioaktiven Zerfalls.

Ein Teil der regenerativen Energie E˙js2 und der gespeicherten Energie ET wird in technischen Prozessen Ct in die von den Menschen am häufigsten genutzten Energieströme Elektrizität E˙E, Wärme E˙H, Kraft E˙P und Brennstoff E˙Ch gewandelt.

Die energiepolitische Diskussion geht nun häufig von der unterschiedlichen Verfügbarkeit der verschiedenen Energieträger aus. Fossile und nukleare Energieträger gehen auf Vorräte ET zurück und sind demzufolge in ihrer Nutzungsdauer begrenzt. Regenerative Energien sind zwar relativ in Bezug auf die zukünftige Menschheitsgeschichte zeitlich unbegrenzt, aber in ihrer Nutzung trotzdem limitiert. Durch die Kopplung an einen Energiefluss E˙js sind sie abhängig von der Fläche auf der Erde und der Masse der Medien sowie deren chemischen und physikalischen Parametern. Da diese Größen alle begrenzt sind, ist die Nutzung der regenerativen Energien auch nicht beliebig steigerbar.

Zusammenfassend ist zu sagen, dass die zukünftige Versorgung der Menschheit mit Energie begrenzt ist, wenn auch aus unterschiedlichen Gründen. Deshalb sollen im Folgenden die Vorräte ET der fossilen und nuklearen Energieträger abgeschätzt sowie die Energieströme E˙js2 der regenerativen Energien aufgezeigt werden.


4 Vorräte

Die Vorkommen einzelner Rohstoffe hängen von der geologischen Konstellation und ihrer Genese ab. Deshalb sind Rohstoffe auf und in der Erde ungleich verteilt. Die Gesamtheit der Menge eines Rohstoffes wird als Vorrat bezeichnet. Sind diese Vorräte geologisch nachgewiesen sowie technisch und wirtschaftlich gewinnbar, werden diese als Reserven bezeichnet. Ressourcen sind demgegenüber die Vorräte, die geologisch bekannt, aber technisch und wirtschaftlich noch nicht gewinnbar sind, oder die technologisch/ökonomisch gewinnbar sind sowie geologisch zwar möglich, aber noch nicht nachgewiesen worden sind. Die darüber hinaus noch verbleibenden zum größten Teil unbekannten zukünftigen Reserven und Ressourcen werden als Geopotenzial bezeichnet [17] (Bild 8). Die tatsächlich vorhandenen Vorräte der Energierohstoffe im heute und zukünftig zugänglichen Teil der Erde sind unbekannt.

Die Mengen der einzelnen Vorratstypen ergeben und ändern sich also in Abhängigkeit des Preises, der geologischen Erkundung und des technischen bzw. technologischen Entwicklungs­standes. So bedeutet beispielsweise der technische Fortschritt nicht unbedingt ein Anwachsen der Reserven auf Kosten der Ressourcen. War vor 50 Jahren der Abbau von 30 cm starken Stein­kohleflözen in Deutschland wirtschaftlich möglich, liegt der heute ökonomisch sinnvolle Abbau durch die Weiterentwicklung von Gewinnungstechnologien bei Flözstärken von 60 cm und mehr, d. h. die Reserven sind aufgrund des technischen Fortschritts gesunken [18].

Die Abgrenzung dieser Vorratstypen sowie die Ermittlung der Mengen sind weiterhin international nicht eindeutig festgelegt und variieren von Land zu Land. So werden beispielsweise bei der Beurteilung von Steinkohlevorräten in zahlreichen Ländern, insbesondere in denen, die viele oberflächennahe Vorkommen in Tagebauen ausbeuten, nur solche bis in eine Tiefe von 300 m bis 700 m (Südafrika bis 350 m, USA bis 671 m) erfasst, während in Ländern mit ausgeprägtem Tiefbau Kohle bis 1800 m Tiefe (Indien bis 1200 m, Deutschland bis 1500 m, Ukraine bis 1800 m) in die Vorratsberechnung eingeht. [19] Kohle kommt aber in weitaus tiefer liegenden Flözen vor, wie die unter der norddeutschen Tiefebene. In Bezug auf die Vorratsberechnung gilt Gleiches für die Flözmächtigkeit (minimal berücksichtigte Flözdicke: Südafrika 1 m, USA 0,25 m, Indien 1 m, Deutschland 0,6 m, Ukraine 0,55 m).

Nicht zu unterschätzen sind auch strategische oder technologische Überlegungen einzelner Staaten und Unternehmen. So tauchten die Kohlevorkommen von Lübtheen, obwohl erkundet, zu Zeiten der DDR in keiner offiziellen geologischen Publikation auf, da die entsprechenden Aufbereitungstechnologien noch nicht entwickelt waren. Darüber hinaus haben sich auch noch für die einzelnen Ener­gierohstoffe verschiedene Merkmale zur Abgrenzung der Vorratstypen durchgesetzt. Geht die Wirtschaftlichkeit des Abbaus von Hartkohlen indirekt über die Teufenerstreckung der Lagerstätte und die Flözmächtigkeit ein, werden bei den nuklearen Energierohstoffen direkt die Gewinnungskosten genutzt. So werden bei Uran, ähnlich wie bei Wertstoffen, die häufig in großen, aber armen Lagerstätten fein verteilt vorkommen (disseminated ores), die Gewinnungskosten bei 40, 80 und 130 US$/kgU zur Einteilung der Vorräte genommen [19].

Die Klassifikation und die Mengenermittlung der Vorräte sind international also höchst unterschiedlich und hängen stark von den länder- und rohstoffspezifischen Gegebenheiten ab. Deshalb gab und gibt es auch zahlreiche internationale, nationale und branchenspezifische Klassifikationssysteme (z.B. [20, 21, 22, 23]). Aus diesen Gründen hat eine UN-Kommission ein Klassifikationssystem entwickelt, das nach einheitlichen Kriterien weltweit die einzelnen Vorräte spezifizieren und bestimmen soll. Diese internationale Rahmenvorratsklassifikation (United Nations Framework Classification, UNFC) für feste, fossile Brennstoffe und mineralische Rohstoffe basiert auf drei Kriterien:

• Wirtschaftlichkeit (economy) E, d. h. Grad der Bauwürdigkeit

• Machbarkeit (feasibility) F, d. h. Grad der bergtechnisch-bergwirtschaftlichen Untersuchung

• Geologie (geology) G, d. h. Grad der geologischen Untersuchung

 

Der Grad der Untersuchung, d. h. der Stand der Erkenntnis wird hinsichtlich dieser Kriterien definiert und beziffert (Bild 9). Durch die Kombination dieser Kriterien hinsichtlich ihrer Untersuchungsgrade ergeben sich dann Vorratsklassen. Sie werden also durch eine 3-reihige ­Ziffernfolge codiert und begrifflich festgelegt. Dieses Konzept ­liefert somit eine 3-dimensionale Klassifikation der Vorräte. (Bild 10) Ähnliche Konzepte sind für entsprechende Vorratsklassen von flüssigen, gasförmigen und nuklearen Brennstoffen verfolgt und entwickelt worden [24, 25, 26, 27].

 

Diese Vorratsklassen könnten nun als Grundlage zur Abschätzung des Versorgungs- und Produktionspotenzials der fossilen und nuklearen Energieträger dienen, wenn dieses Konzept weltweit akzeptiert und angewendet würde. Jedoch ist zu beachten, dass es erhebliche Abweichungen bei der Bestimmung der Mengen in den einzelnen Vorratsklassen in Abhängigkeit der technischen Entwicklung, der geologischen Erkundung und der Bauwürdigkeit, aber auch der strategischen Überlegungen einzelner Staaten gibt. Die Klassifikation der Vorräte ist also ein dynamisches Konzept und mithin zeit- und ortsabhängig (Bild 11).

Sehr deutlich lässt sich die zeitliche Abhängigkeit an der Entwicklung der Reserven darstellen. Das Verhältnis aus Reserven und jährlicher Förderung, auch statische zeitliche Reichweite R genannt, ist typisch für einen Rohstoff und bewegt sich trotz in der Regel stark angestiegener Förderung in einer bestimmten Bandbreite [25]. Für Öl bewegt sich dieser Index seit Jahrzehnten zwischen 30 ± 10 Jahren, für Gas zwischen 50 ± 10 Jahren [17] (Bild 12). Eine höhere Reichweite wäre allein volkswirtschaftlich auch unökonomisch und würde zu viel Kapital unnötig binden. Der Index ist also lediglich eine Zeitaufnahme in dem dynamischen System der Vorräte und kann keine Aussagen über die tatsächliche Reichweite eines Rohstoffes liefern.

Die beschriebenen Probleme verdeutlichen die Grenzen der Aussagegenauigkeit und der Ermittlung von Vorratsangaben. Trotzdem ist es unerlässlich, Vorräte der einzelnen Energierohstoffe abzuschätzen, um eine Basis für politische, volks- und betriebswirtschaftliche sowie technische Entscheidungen zu gewinnen. Auf Grund der Schwierigkeiten kommt folglich nur ein pragmatischer Ansatz in Frage, der in Zeitabständen und bei neuen Entwicklungen angepasst werden muss [19, 28]. Im Rahmen dieser Abhandlung erfolgt die Angabe der Reserven und Ressourcen deshalb auf der Grundlage zugänglicher Zusammenstellungen von Daten zu den einzelnen Energierohstoffen [28].

 

4.1 Vorräte fossiler Energieträger

Die fossilen Energieträger decken heute mit Abstand den größten Anteil des weltweiten Energiebedarfes ab. Jedoch sind diese Energieträger quasi nicht erneuerbar, sofern z. B. von der natürlichen Biomasseproduktion, die ständig in den geologischen Prozess eingeführt wird, abgesehen wird (siehe Bild 7). Somit sind diese Energieträger begrenzt und in ihrer Reichweite limitiert. Für die absehbare Zukunft werden Kohle, Erdöl und Erdgas aber weiterhin ihre Bedeutung zur Versorgung der Menschheit mit Energie behalten. Die Frage nach der Reichweite ist also berechtigt. Unter Beachtung der Erhebung der Daten (siehe Kap. 4), der Auswertemethoden und der Interessenlagen einzelner Staaten und Unternehmen kann die Frage jedoch nicht einmal annähernd korrekt beantwortet werden.

Globale Vorratsdaten basieren trotz dieser Schwierigkeiten auf Erhebungen einzelner Organisationen und Institutionen, wie z. B. des World Energy Councils (WEC), des United States Geological Surveys (USGS) oder der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR). Die Vorräte werden in Reserven und Ressourcen getrennt erhoben.

Bei den hier genutzten Zusammenstellungen [28, 29] werden die Kohlen in Weichbraunkohlen und Hartkohlen (Hartbraunkohlen, Steinkohle, Anthrazit) unterschieden, wobei der Energieinhalt als Unterscheidungskriterium (Weichbraunkohlen: kleiner 16500 kJ/kg, Hartkohlen: größer 16500 kJ/kg) genutzt wird. Die Kohleklassifikation ist jedoch sehr unterschiedlich in den verschiedenen Staaten, so dass eine Zuordnung nicht ohne Probleme überall erfolgen kann (z. B. bei subbituminösen Kohlen).

Bei Erdöl und Erdgas wird zusätzlich noch zwischen konventionellen und nicht-konventionellen Rohstoffen unterschieden. Konventionelles Erdöl ist fließend und weist eine Dichte kleiner als 1 g/cm3 auf. Dazu gehören Leichtöl, Schweröl und flüssige Kohlenwasserstoffe, die bei der Erdgasförderung anfallen, wie Kondensat, Flüssiggas (natural gas liquids, NGL). Nicht-konventionelles Erdöl umfasst Schwerstöl und gebundenes Erdöl in Ölschiefern und Ölsanden mit einer Dichte größer als 1 g/cm3 und einer hohen Viskosität.

Freiströmendes Erdgas, das ohne weitere technische Maßnahmen der Förderbohrung zuströmt, wird als konventionelles Gas bezeichnet. Dazu gehört Gas aus Erdgas- und Gaskondensatvorkommen sowie Erdölgas. Nicht-konventionelles Erdgas umfasst Gas aus dichten Gesteinen (tight gas, shale gas), Kohleflözgas (coal bed methane, CBM), Aquifergas und Gashydrat.

Gemessen am heutigen Verbrauch werden die Vorräte an fossilen Brennstoffen für die nächsten Jahrhunderte ausreichend zur Verfügung stehen, wenn auch unterschiedlich [28, 29] (Bild 13). Die maximale Jahresproduktion mit einer anschließenden Minderproduktion wird wahrscheinlich zunächst für Erdöl erreicht [17]. Für konventionelles Erdöl wird dieses Maximum um das Jahr 2023 erwartet [28]. Dieses Fördermaximum kann ein Indiz für eine absehbare Verknappung von Rohöl sein. Die Prognosen für Gas und Kohle lassen eine erheblich längere Reichweite erwarten. Insbesondere gilt dies für Erdgas. Allein das an Gashydrate gebundene Erdgas wird auf 1 bis 120 ∙ 1015 m [28] entsprechend einem Energiegehalt von ca. 38 bis 4500 ∙ 103 EJ geschätzt.

4.2 Vorräte nuklearer Energieträger

Die nuklearen Energieträger, die nach heutigem Ermessen zukünftig einen Beitrag zur weltweiten Energieversorgung leisten werden, umfassen hauptsächlich Uran und Thorium. Beide Elemente sind lokal in unterschiedlicher Konzentration in der Erdkruste weit verbreitet, so dass eine Einteilung in die einzelnen Vorratsklassen häufig durch die Gewinnungskosten erfolgt. Steigen die Preise infolge erhöhter Nachfrage, steigen auch die Reserven und Ressourcen. Die Ressourcen beispielsweise an Uran können darüber hinaus weiter deutlich ausgeweitet werden, wenn die Aufbereitung von Kernbrennstäben und Kernwaffen oder die Gewinnung aus Meerwasser einbezogen wird. Die Nutzung von nuklearen Energieträgern kann darüber hinaus durch Brutreaktoren noch erheblich erweitert werden [30].

Als Reserven werden die gesicherten Reserven (reasonably assured resources, RAR), d. h. das Uran in erkundeten Lagerstätten mit bekanntem Metallinhalt, mit Gewinnungskosten kleiner als 40 US$/kgU bezeichnet. Gesicherte Reserven mit höheren Gewinnungskosten, sowie vermutete Reserven (inferred resources, IR), deren Gewinnungskosten jedoch geringer als 130 US$/kgU sind und unentdeckte Vorräte (undiscovered resources), deren Existenz aus geologischen Erkenntnissen vermutet werden, werden als Ressourcen bezeichnet [24, 28]. Die Vorräte an nuklearen Energieträgern sind zwar begrenzt, aber aufgrund der technischen Möglichkeiten und der Preissituation noch für viele Jahrhunderte ausreichend [28, 30] (Bild 14).

Widmung

Dieser Artikel ist Magnifizenz Prof. Dr. Dr. e.h. mult. Pivnyak Gennadiy Grigoryevich, Rektor der Nationalen Bergbauuniversität der Ukraine in Dnipropetrowsk zum 70. Geburtstag gewidmet.

 [1] Becker, K.: Unsere Väter – die Bergleute der Grube Bautenberg. Dillbrecht
 [2] Döring, M.: Eisen und Silber – Wasser und Wind. Verlag die wielandschmiede, Kreuztal, 1999
 [3] Ranke, W. und Korff, G.: Hauberg und Eisen. Schirmer/Mosel Verlag, München, 1980
 [4] Carlowitz, H. C. von: Sylvicultura oeconomica oder haußwirtschaftliche Nachricht und naturmäßige Anweisung zur wilden Baum-Zucht.
Verlag J. F. Braun, Leipzig, 1713
 [5] Blech, J.; Evers, M.; Schmundt, H. und Schwägerl, C.: Kur für Erdöljunkies. in Der Spiegel 33, 2008
 [6] Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit: Erneuerbare Energien. Berlin, 2009
 [7] Tenbrock, C.: Die Welt der Energie. in Die ZEIT, 23.10.2008
 [8] International Energy Agency: Key World Statistics. Paris, 2008
 [9] International Monetary Fund: World Economic Outlook Database. Washington, 2007
[10] US Census Bureau: Historical Estimates of World Population. Washington, 2010
[11] US Census Bureau: Total Midyear Population of the World. Washington, 2010
[12] Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit: Erneuerbare Energien. Berlin, 2006
[13] European Renewable Energy Council and Greenpeace International: energy[r]evolution. Brussels, Amsterdam, 2008
[14] Henniche, P. and Bodach, S.: EnergieREVOLUTION. oekom verlag, München, 2010
[15] Wissenschaftlicher Beirat der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen: Welt im Wandel – Energiewende zur Nachhaltigkeit, Hauptgut­achten 2003. Springer-Verlag, Berlin, Heidelberg, 2003
[16] Gruss, P. and Schüth, F. (ed.): Die Zukunft der Energie. Verlag C. H. Beck, München, 2008
[17] Wellmer, F.-W.: Reserves, Resources, Geopotential. Paper presented at Geopommerania. Szczecin, 25. September 2007
[18] Schmidt, S.; Rehder, S. und Cramer, B.: Quo vadis Kohle? Commodity Top News Nr. 32, BGR, Hannover, 2009
[19] World Energy Council: Survey of Energy Resources. London, 2007
[20] International Atomic Energy Agency: Uranium Resources, Production and Demand. Paris, 1986
[21] Österreichisches Normungsinstitut: Klassifikation von Vorkommen fester mineralischer Rohstoffe, ÖNORM G 1050. Wien, 1989
[22] Ruhrkohle AG: Richtlinien für die Kohlenvorratsermittlung. Essen, 1982
[23] U.S. Bureau of Mines and U.S. Geological Survey: Principles of a resource/reserve classification for minerals. Geological Survey Circular 831, ­Arlington, 1980
[24] Nuclear Energy Agency: URANIUM 2005: Resources, Production and Demand. 2007
[25] Slaby, D. and Wilke, L.: Bergwirtschaftslehre Part 1. Verlag der Technischen Universität Bergakademie Freiberg, Freiberg, 2005
[26] United Nations: United Nations Framework Classification (UNFC) applied to Petroleum Resources. 2003
[27] United Nations Economic Commission for Europe: United Nations Framework Classification for Energy and Mineral Resources. 2004
[28] Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe: Energierohstoffe 2009: Reserven, Ressourcen, Verfügbarkeit. Hannover, 2009
[29] Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe: Reserven, Ressourcen und Ver­fügbarkeit von Energierohstoffen, Short Study 2009. Hannover, 2009
[30] Andrews, J. and Jelley, N.: energy science. Oxford University Press, New York, 2007
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