Das „Berggeschrey“ in Sachsen wird lauter

Unter der Maxime „Ohne Rohstoffwirtschaft keine nachhaltige Entwicklung“ veranstaltete das Geokompetenzzentrum Freiberg e.V. (GKZ), Freiberg in Verbindung mit der IHK Sachsen, Chemnitz und dem Sächsischen Staatsministerium für Arbeit, Wirtschaft und Verkehr (SMAW), Dresden sowie dem Unternehmensverband Mineralische Rohstoffe, Berlin/Leipzig am 08. November 2017 den 11. Sächsischen Rohstofftag in Dresden. In Zeiten zunehmend politisch gesteuerter Debatten zu den sozialen Herausforderungen Klima, Energie, Mobilität und Rohstoffe ruft die Losung des 11. Sächsischen Rohstofftages zur Besinnung. Die Situation zur Anerkennung des Bergbaus im eigenen Lande als bedeutenden Faktor für eine florierende Wirtschaft, seine Darstellung und Wahrnehmung in der Öffentlichkeit haben sich seit dem letzten Sächsischen Rohstofftag im vergangenen Jahr kaum in positiver Richtung geändert – darin waren sich die etwa 75 Teilnehmer aus Wirtschaft, Forschung und Politik ziemlich einig. Wege zu finden, um dies zu verändern, ist Aufgabe aller Akteure.

An nunmehr schon traditioneller Stelle, im Dresdner Taschenbergpalais, begrüßte der Vorsitzende des GKZ, Dr. Hendrik Gaitzsch, vor allem die Jugend, die mit Schülern des Berufsschulzentrums BSZ Julius Weisbach, Freiberg zahlreich vertreten war. Er hob die Bedeutung der bergmännischen und geotechnischen Ausbildungsgänge des BSZ für die Fachkräftesicherung hervor. Man könne nicht früh genug damit beginnen, junge Menschen über die Wichtigkeit dieses Wirtschaftszweiges für unseren Lebensstandard aufzuklären. Das eingangs genannte Leitmotiv der diesjährigen Veranstaltung unterstreicht deutlich, dass Rohstoffwirtschaft auch Bergbau bedeutet. „Dieser ist in der Öffentlichkeit eindeutig negativ besetzt, aber fragt man die Bevölkerung in der betreffenden Region, zeigt sich ein ganz anderes Bild. Rohstoffe müssen weiter gewonnen werden und Industriefeindlichkeit kann nicht das Konzept sein“, so das Plädoyer von Dr. Gaitzsch für den Bergbau. Er erinnerte abschließend, dass Rohstoffwirtschaft in der Geschichte nicht nur zu Reichtum, sondern auch zu Industriefortschritt und Kultur geführt hat. In diesem Sinne sei Rohstoffwirtschaft in Deutschland nicht nur ein Erfordernis, sondern unabdingbare Notwendigkeit, und das müsse in die Öffentlichkeit getragen werden.

In analoger Weise äußerte sich Dr. Dirk Orlamünder, Abt.-Leiter Digitalisierung, Bergbau im SMWA, Dresden in seinem Grußwort, in dem er die Notwendigkeit der Heranführung der jungen Menschen an rohstoffwirtschaftliche Berufe aufgriff und betonte, dass es hierfür auch wichtig sei, frühzeitig Rohstoffbewusstsein zu fördern. Auch er beklagte, dass sich der Begriff „Rohstoffbewusstsein“ in der Öffentlichkeit nicht so wiederfindet, wie es sein sollte und plädierte für eine Aufnahme in den Bildungsweg so früh wie irgend möglich. Ein wichtiges Projekt sei das Programm ROHSA III – die Sammlung, Sicherung und Verfügbarmachung geologischer, vor allem rohstoffgeologischer Daten und Informationen für Spate und Erze im Freistaat Sachsen. Dr. Orlamünder stellte Sachsens Rohstoffkompetenz mit den Akteuren Ressourcenuniversität TU Bergakademie Freiberg (TU BAF), Helmholtz Institut für Ressourcentechnologie Freiberg, GKZ, UVR-FIA GmbH u.v.a.m. heraus und mahnte an, mit dem vorhandenen Knowhow zu wuchern, denn die Herausforderungen der Zukunft seien nicht gering. Die im Hinblick auf die von der EU ausgewiesene Forderung der Erhöhung des Industrieanteils an der Wertschöpfung um 20 % sei ohne eine sichere Basis von Rohstoffen und Fachkräften nicht leistbar. Sachsen habe hier auch seinen Ruf als Technologie-standort zu halten. Insofern geht die geplante Industriestrategie nicht ohne Rohstoffsicherung und ist damit nur im Zusammenspiel mit der Rohstoffstrategie zu verwirklichen.

Auf den Zeitfaktor machte Dr. Manfred Jäkel, GKZ und Mitglied BUNG Ingenieure AG im Plenarvortrag „Erfahrungswerte im Engineering und Eisenbahnbetrieb in Langstreckentunneln – Besondere Anforderungen an Konzeption, Bau und Ausrüstung“, aufmerksam. Zeiträume von Jahrzehnten in der Planung bis zum Bau bei Tunnelprojekten im mittleren Maßstab machten sich nicht nur an geänderten rechtlichen und fachlichen Vorschriften fest, wie zum Beispiel durch die Anpassung an technische Vorgaben (Brandschutz) – trotz der Fortschritte in der Technik. Ein nicht zu unterschätzender Aufwand liegt darin, dass die Öffentlichkeitsarbeit immer mehr Zeit beansprucht. Ergänzend stellte Eckert Fritz vom IFB Institut für Bahntechnik GmbH, Berlin die technischen Herausforderungen des Absenktunnels Fehmarnbelt vor – ein Projekt, vergleichbar mit dem des Erzgebirgstunnels der geplanten Schnellbahnstrecke Dresden-Prag. Auch hier spielte die Öffentlichkeitsarbeit eine wesentliche Rolle, in denen sich frühzeitig insbesondere kleine und mittlere Unternehmen im Rahmen von „Industry Days“ vorstellen. Mit den „Fehmarnbelt Days“ wurde ein Format entwickelt, das auf breiter Ebene Gegner wie Befürworter zusammenbringt. Darüber hinaus ist ein wichtiger Faktor im Sinne der Rohstoffgewinnung die Einordnung des Tunnelausbruchmaterials. Abfall oder Wertstoff – das ist hier die Frage und es gilt, entsprechende Entsorgungskonzepte zu formulieren. Gesetzliche Regelungen wie in Österreich und der Schweiz, wo das Gebirge in bestimmte Materialklassen eingeteilt und damit eine Wiederverwendung bereits in der Planungsphase definiert werden kann, gibt es hierzulande leider nicht.

Eine Fülle von Daten vermittelte Prof. Dr. Volker Steinbach, BGR Bundesanstalt für Geologie und Rohstoffe, Hannover in seinem Beitrag „Rohstoffe – Grundlage technologischer Entwicklungen“. Er nannte sein Fazit gleich zu Beginn des Vortrags: „Kein High-Tech ohne Rohstoffe“ und forderte heimische Rohstoffe in stärkerem Maße - auch für Schlüsseltechnologien - einzusetzen sowie den verantwortungsbewussten Umgang generell mit allen Rohstoffen. Immerhin werden 41,8 Mrd. €  für Rohstoffimporte (70 %) aufgewandt, 7,4 Mrd. € entsprechend 12  – 13 % entfallen auf heimische Rohstoffe und 10 Mrd. € (17 %) auf Rohstoffe aus dem Recycling. . Prof. Steinbach wies auf die Bedeutung der Zukunfts- und Schlüsseltechnologien für Deutschland und Europa hin, die die globale Rohstoffnachfrage verändern. Ein verlässlicher Rohstoffbezug ist unerlässlich. Daher beauftragte die BGR vor 4 Jahren die Deutsche Rohstoffagentur, ein Rohstoff-Monitoring aufzustellen, das im Detail erläutert wurde. Aufgrund dieser Studie „Rohstoffe für Zukunftstechnologien 2016“ (https://www.deutsche-rohstoffagentur.de/DERA/DE/Downloads/Studie_Zukunftstechnologien-2016.pdf) liegen aktuelle Daten zu den Trends der Entwicklung von Zukunftstechnologien und ihr Rohstoffkonsum bis 2035 vor. Dabei spielt Recycling eine große Rolle. Bei Aluminium, Kupfer und Rohstahl werden in Deutschland bereits hohe Recyclingquoten erzielt. Abschließend ging er auf den Stellenwert der heimischen Rohstoffe ein und betonte in Übereinstimmung mit seinen Fachkollegen, dass Deutschland ein rohstoffreiches Land ist (Industrieminerale, Baustoffe, Quarz als Rohstoff für die Halbleiterindustrie). Ein Rotorblatt einer Windmühle besteht z.B. zu 70 % aus Quarz. Recycling ist wichtig, kann aber die primäre Gewinnung nicht ersetzen. Denn auch die Rückgewinnung kennt Grenzen, besonders dort, wo ursächlich in der Primärerzverhüttung – wie am Beispiel Kupfererz – Beiprodukte über das Recycling nicht mehr rückgewonnen werden können. Dem verantwortungsvollen Einkauf von Rohstoffen soll die im Juni 2017 in Kraft getretene EU-Verordnung zur Sorgfaltspflicht dienen.

Oberberghauptmann, Sächs. Oberbergamt Freiberg und Vorstand GKZ Prof. Dr. Bernhard Cramer warnte in seinem Vortrag „Deutschland und seine Rohstoffversorgung – Matte Wetter für den heimischen Bergbau“ davor, sich vom Wort „Bergbau“ zu verabschieden. Obwohl Bergbau in Sachsen ein wichtiges Thema ist und für Bergbau in Deutschland kein großes Länderrisiko besteht – klare politische Rahmenbedingungen, große Sicherheiten bei der Gewinnung, keine Transport- und Lieferrisiken – besteht nur ein gesellschaftlicher Scheinkonsens. Im Kontext der Attributierung des Wortes mit Negativmeldungen, wie z.B. Bergbau ist schädlich, Deutschland ist rohstoffarm, Bergbau hat in Deutschland keine Zukunft, Recycling ersetzt den Bergbau und liefert, was wir benötigen, sei es zur Gewohnheit geworden, das Wort Bergbau in kritischem Zusammenhang zu verwenden. Bergbau dürfe hier in seiner Notwendigkeit als der Teil der Gewinnung natürlicher Ressourcen nicht negativ besetzt werden. Fände die Gwinnung unserer Rohstoffe nur noch im Ausland statt, würden die Probleme des Bergbaus exportiert werden. Zudem würde Bergbau zunehmend nicht als Industrie gesehen und der Schwerpunkt – besonders im Falle des Braunkohlenbergbaus – in den Medien auf Klimadiskussion und Umsiedlung beschränkt. Am Beispiel der Braunkohle, aber auch der Steine-und-Erden-Industrie demonstrierte der Referent die Leistungsfähigkeit des sächsischen Bergbaus und untermauerte diese Ausführungen mit Angaben zu der seit 2006 bestehenden Wiederaufnahme bergbaulicher Aktivitäten im Erzgebirge. Seitdem sind 50 „Berechtsame“ d.h. Anträge auf Erteilung einer Bergbauberechtigung im Oberbergamt eingegangen. In der Grube Niederschlag, die seit 2013 Flussspat fördert, hat sich das „Berggeschrey“ somit bestätigt. Auch im alten Bergwerk Sadisdorf sollen noch mindestens 15 000 t Zinn lagern und ein Comeback ist vorstellbar. Cramer geht daher von einer kontinuierlichen Weiterentwicklung aus und hält die vergangene Entwicklung der letzten Jahre für eine Bereinigung. Große Sorgen mache das Standortsicherungsgesetz (zur Auswahl eines nuklearen Endlagerstandortes). Die Veränderungssperre über ganz Deutschland mit den sechs Erkundungsschritten zur Festlegung eines Standortes durch den Bundestag schränkt die Entwicklung neuen Bergbaus ein. Er machte auf den langen Zeitraum der Festlegung aufmerksam, der bei bestimmten Gebieten bis zu 30 Jahre dauern kann, in dem nur über Sondergenehmigungen im Bereich Bergbau aber auch Geothermie gearbeitet werden kann. Cramer zitierte aus dem Verfahrensprozess, dass als geologische Zielgröße des Endlagers insbesondere die kristallinen Gesteine herausgestellt werden. Damit fällt ein Großteil von Sachsen in die hierzu geforderte Einvernehmenspflicht. Die rechtlichen Rahmenbedingungen verschöben sich auch damit zuungunsten eines Bergbaus mineralischer bzw. kristalliner Rohstoffe. der für Sachsen aber eine große Bedeutung hat. Die Sächsische Staatsregierung versuche ihr Möglichstes, dem entgegenzuwirken.

Ein beeindruckendes Exempel für die vielseitigen Möglichkeiten, sinnvolles und nachhaltiges Recycling zu betreiben und wertvolle Rohstoffe aus Abfällen sowie Nebenprodukten zu gewinnen, stellte Dipl.-Ing. Michael Neumann, Leiter Forschung und Entwicklung bei der Nickelhütte Aue GmbH, Aue in seinem Vortrag „Beiträge des Metallrecyclings zur nachhaltigen Entwicklung“ vor. An vielen Beispielen innovativer und ökologisch sauberer Verfahren des Metallrecyclings (Ätzlösungen von Leiterplatten, Batterien, Katalysatoren) zeigte er, dass Recycling der Schlüssel für rohstoffliche Nachhaltigkeit ist (siehe auch recovery 2/2015, S. 30 ff.). Die Nickelhütte Aue, die auf eine fast 400jährige ununterbrochene Firmengeschichte zurückblicken kann, bietet heute vor allem Spezialleistungen im pyro- und hydrometallurgischen Recycling an, wie z.B. die von fetthaltigen Nickelkatalysatoren aus der Fetthärtung. Die hohe Oberfläche des Katalysators, bei der eine stark thermische Reaktion bei der Reinigung einsetzen würde, bedarf der Verarbeitung in einem Drehrohrofen zur Oxidation des Nickels. In dieser Form wird das entstehende Produkt an die Stahlveredler verkauft. Eine umweltgerechte Produktion von Kupfersulfat für galvanische Zwecke erfolgt unter intelligenten Transportabläufen am Standort. Seit 1990 haben Investitionen von über 100 Mio. € in die Abgasreinigung am Standort zu einer hohen Akzeptanz der Einwohner von Aue geführt. Neumann verwies diesbezüglich auch auf das umfangreiche Sponsoring der Nickelhütte und die Unterstützung der Bevölkerung bei kommunalen Projekten. Sorgen mache ihm der hohe Genehmigungsaufwand, der „früher eher nebenbei lief“. Heute sind mit der Umweltprüfung und anderer Genehmigungsfragen allein fünf Vollzeitingenieure beschäftigt, nicht zu vergessen auch die korrespondierenden Arbeitsplätze auf behördlicher Seite.

MdB Dr. Alexander Krauß ging in seinem Vortrag über die „Rohstoffwirtschaft und das Gemeinwesen im Erzgebirge“ auf die Auswirkungen des Bergbaus auf die Zivilgesellschaft und umgekehrt ein – wie es im Titel weiter heißt: „eine traditionsreiche Symbiose für die Zukunft“. Er lobte das gesetzlich festgelegte Eigentümermodell an Grundstoffen in Deutschland und skizzierte die politische Debatte in Deutschland im parteipolitischen Gefüge. Dabei deutete er an, wie wichtig Detailwissen im Umgang mit Umwelt und Rohstoffwirtschaft ist, und wie sehr in der Reformierung des deutschen Bergrechts hier die Parteipolitik Einfluss nehmen kann. Dabei sei der Einfluss von Minderheiten nicht zu unterschätzen. Bezogen auf die Image-Frage des Bergbaus gäbe es große Unterschiede zwischen der gefühlten und medial vermittelten Meinung. Daneben existiere ein doch relativ breites Desinteresse in der Öffentlichkeit überhaupt. Deshalb sei weitere Aufklärung umso notwendiger. Eine Befragung von 1001 Personen über 14 Jahre durch die TU BAF hatte ergeben, dass mehr als 75 % den Bergbau befürworten, von den Unternehmen äußerten aber mehr als 80 %, dass der Bergbau negativ belegt sei. Diese Diskrepanz gelte es durch frühzeitige Bürgerbeteiligung bei allen Vorhaben zu beseitigen. Informieren – Konsultieren/ Rat einholen – Einbeziehen – Kooperieren, so müsse die Vorgehensweise für einen gelingenden Bergbau sein. Er räumte ein, dass der Politik eine entsprechende Mitverantwortung zukomme.

Oliver Fox vom Unternehmerverband Mineralische Baustoffe UVMB in Leipzig zeigte in seinem Vortrag „Biodiversität im Steine-Erden-Bergbau – vom Einzelbeispiel zur Normalität“ die vielfältigen Facetten seines Berufes – eigentlich seiner Berufung als Biologe in einem Bergbaumetier. Er nahm die Zuhörerschaft mit auf eine spannende Reise in wieder belebte Steinbrüche und Tagebaue, in denen sich durch Schaffung von Kleinstgewässern sogar Tierarten angesiedelt haben, die in sonstiger freier Natur kaum noch zu finden sind. So sind als Folge des Bergbaus sogenannte Sekundärlebensräume beispielsweise für den Uhu entstanden – rund 60 % der Uhus brüten heute in Steinbrüchen. Berg- bzw. Tagebau sei also nicht zu verdammen, denn „Abbau und Artenschutz ergänzen sich und die Natur ist dynamisch – nicht statisch“ so der Referent. Seine Arbeit vor Ort zwischen Abbau und Naturschutz läge zwischen Akzeptanz und offener Ablehnung. Er bescheinigte für Deutschland, dass das Ziel des Erhalts der biologischen Vielfalt in der EU – unabhängig von Schutzgebieten – in vollem Umfang als gesichert gelten kann. Dennoch zeigt allein die Entwicklung abgeworfener Bergbauflächen eine komplexe Veränderung innerhalb der Einzelbestimmungen des Bundesnaturschutzgesetzes, wie Fox sehr illustrativ an der Besiedlung einer Schilffläche (hervorgegangen aus Abbaurestflächen) durch die Kreuzkröte aufzeigte. In Anlehnung an die Landwirtschaft wird gegenwärtig untersucht, inwieweit die Grundsätze der „Guten Fachlichen Praxis“ auch für den Rohstoffabbau geltend gemacht werden können. Die Einsicht, dass sich Abbau und Artenschutz gegenseitig ergänzen, würde sich zunehmend auch bei Umweltschützern durchsetzen. Für Betriebe sei die Rechtssicherheit hingegen wichtig. Dazwischen sei zu unterscheiden zwischen Gruppendenken und Ausbrechen aus dem Pro- und Kontralager. Dr. Wiedenfeld, Hauptgeschäftsführer UVMB und Vorstand GKZ verwies auf die Notwendigkeit des Aufbrechens von Fronten und darauf, die Produzenten zu couragieren, auf die Artenvielfalt im Gefolge von Bergbau hinzuweisen.

Einen anderen Aspekt des Bergbaus betrachtete Prof. Dr. Andreas Berkner, Regionalplanungsverband Leipzig mit seinem Beitrag „Bergbaufolgelandschaften als neue Chance für Wirtschaft und Gesellschaft“. Ein Stein des Dialogs (im Bild ein als Denkmal gesetzter Findling), platziert an historischer Stelle intensiver Auseinandersetzung um die Fortsetzung und Weiterentwicklung des Leipziger Südens unmittelbar nach der Wiedervereinigung, ist nicht nur Zeichen des wissenschaftlichen und gesellschaftlichen Kraftakts in der Rekultivierung der Braunkohlenrestflächen, sondern auch des wiedergewonnenen Konsenses und der Integration unterschiedlicher Ansichten in einem gemeinsamen Schaffensprozess. Mit Blick auf den diskutierten Ausstieg aus der Braunkohle wies er darauf hin, dass die Rekultivierung Teil des Gesamtprozesses ist und ein plötzlicher Ausstieg dieser die finanziellen Mittel entziehe. Daran würde viel zu wenig gedacht, es sei aber auch ein Ergebnis einer immer mehr zu beklagenden Wahrnehmungsasymmetrie. Diese ergäbe sich durch eine große schweigende Masse gegenüber einer gut organisierten und lautstarken Minderheit. Dabei betreffe der Strukturwandel weit mehr Menschen vor Ort, als diese sich artikulierten. Nach dem ersten Strukturwandel in der Region nach der Wiedervereinigung, ist für Berkner langfristig ein zweiter nicht auszuschließen. „Zwar wird aktiver Bergbau noch als Brücke für die alternativen Energien benötigt, aber das Ende des Kohleabbaus kommt!“ ist sich Prof. Berkner sicher. Bergbaufolgelandschaften seien nicht besser oder schlechter als die Ursprungslandschaften, sondern anders und böten neue Möglichkeiten. Ein Beispiel dafür ist die Sanierung der Braunkohletagebaue. Sie hat zum Landschaftswandel und zur Landschaftsaufwertung beigetragen. Rückblickend hat die Wahrnehmung und Nutzung der durch die Rekultivierung für die Stadt Leipzig entstandenen Erholungsflächen der Kommune auch die Aufgabe gestellt, damit umzugehen. Zu bedauern sei in diesem Zusammenhang die Entwicklung, dass sich mit den neu entstandenen Flächen Naturschutz und Naturerleben gegenseitig ausschließen. So führe die Unterschutzstellung großer Flächen unter Natura 2000 fast hin bis zum Totalreservat und schränke damit den Erholungswert wiederum ein.

Im Anschluss an die Vortragsreihe stellten sich fünf Fachleute den Fragen des Moderators, Journalisten und Kommunikationsberaters Ralf Krüger, Dresden. Die Podiumsdiskussion stand unter dem Motto „(Warum?) hat die Rohstoffwirtschaft in Deutschland ein schlechtes Image?“ Eigentlich war die Frage schon in fast jedem Vortrag beantwortet oder zumindest behandelt worden, und so konnten die auf das Podium gebetenen Experten des Bergbaus, der Rohstoff- und Kreislaufwirtschaft, der Politik und der Presse eigentlich „nur“ Ergänzungen und modifizierte Sichtweisen wiedergeben. Einig war man sich, dass das „Warum“ im Motto nicht in Klammern stehen muss, denn die Rohstoffwirtschaft hat ein schlechtes Image. Zur ersten Frage des Moderators „Was erwarten Sie von den Sondierungsgesprächen in Berlin und was bedeutet „Jamaika“ für die Rohstoffbranche?“ wurden mehr Hoffnungen als Erwartungen ausgesprochen. Verständlich, wenn man die Zähigkeit und Langatmigkeit der Verhandlungen verfolgt. Prof. Dr. Friedrich-Wilhelm Wellmer, Präsident a.D., BGR Hannover, wies darauf hin, dass es darauf ankommt, wieder neue Strukturen auch mit staatlichem Anschub zu schaffen, die langfristig daran mitwirken können, eine deutsche Rohstoffversorgung sicherzustellen und aktiv gegen globale, politisch motivierte Preisdiktate vorzugehen. Es wäre wünschenswert, wenn dieser Gedanke in den derzeitigen Koalitionsverhandlungen aufgegriffen würde. Der Geschäftsführer des Vereins Bergbau und Rohstoff Dr. Thorsten Diercks sah die Rohstoffpolitik in den Verhandlungen als relativ unkritisch. Journalist Tilo Berger fand, dass das negierte Image des Bergbaus gerade im Hinblick auf seine fundamentale Bedeutung allein schon ein Problem ist. Es gäbe aus seiner Sicht zu wenige Initiativen hierzu. Zum diskutierten Braunkohleausstieg gab er zu bedenken, dass Deutschland auch mit der Abschaltung seiner Kohlekraftwerke nicht einen Trend würde stoppen können, der den weiteren Ausbau der Kohleverstromung in der Welt (genannt sind hier bis zu 1500 in Planung befindliche Kohlekraftwerke) aufhält. Antje Hermenau, Ex-Fraktionsvorsitzende der Grünen im Sächsischen Landtag, empfand die Vormachtstellung Chinas in der Produktion und Kontrolle von Hochtechnologiemetallen als besonders kritisch und sah hier Handlungsbedarf der Politik, dem entgegenzuwirken. In der hohen Wertschöpfung sah Dr. Diercks Fluch und Segen zugleich, da mit dem Wohlstand vielfach Versorgungsängste verloren gehen. „Warum verschwindet der Bergbau aus dem Bewusstsein der Menschen?“, so eine weitere Frage des Moderators. Und hier kam unter Einbeziehung des Auditoriums ganz deutlich zum Ausdruck, dass die Rolle der Medien für den Bergbau oft fatal ist. Falschmeldungen sind an der Tagesordnung, Ängste werden verbreitet, es fehlen wissenschaftlich fundierte Mitteilungen, z.B. wie die Energiebilanz von Windkraftanlagen oder Elektroautos aussieht. Die Rolle der Politiker ist bei schwierigen Themen wie dem Bergbau von Ängsten um die nächste Wahl bestimmt, und sie nutzen zu wenig die Möglichkeit, Wissenschaftler vor schwerwiegenden Entscheidungen in Fragen möglicher Konsequenzen zu konsultieren und sie anzuhören (Energiewende!); Zivilcourage ist hier gefragt (Dr. Goedecke). Es wäre jedoch falsch, nur die Medien verantwortlich zu machen, sie werden zwar auch in Zukunft eine große Rolle für das Image spielen, aber alle Player haben ihre Aufgaben, die hinreichend diskutiert wurden.

In seinen Schlussbemerkungen lobte Dr. Gaitzsch die lebhafte Diskussion mit den schwerwiegenden, tiefgreifenden Inhalten. „Erst die Not ändert etwas!“ Das zeige die Erfahrung, doch es sollte tunlichst schon zuvor etwas geschehen. Und es bleibt dabei: Die Medien haben einen entscheidenden Auftrag. Sie sind nicht dafür da, Meinung zu machen, sondern zu berichten.

Fazit der Veranstaltung: es tut sich viel im sächsischen Bergbau, das „Berggeschrey“ wird lauter, heimische Rohstoffe werden an Bedeutung auch für den europäischen Markt gewinnen und es wird Zeit, das Wissen um den Bergbau in die Bildung einzubeziehen sowie eine breite, wahrheitsgetreue Öffentlichkeitsarbeit zu leisten.

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