Sind acrylamidfreie Polymere die Zukunft?

Biomontan prüft Acrylamid-freies Flockungshilfsmittel für die Kies- und Sandwäsche

Waschwasser der Kies- und Sandwäsche wird meist durch Zugabe polymerer Flockungsmittel aufbereitet, von Feststoffen gereinigt und wiederverwendet. Stand der Technik sind Flockungsmittel, die in geringem Ausmaß Acrylamid enthalten. Das Acrylamid-freie M-FLOC® DAF 800 von Biomontan zeigt im Labortest stabile Flockenbildung, geringe Trübung und rasche Sedimentation und zeichnet sich, verglichen mit stärkebasierten Flockungsmitteln, durch deutlich bessere Reinigungsleistung aus.

Bei der Sand- und Kiesaufbereitung werden die im Rohmaterial enthaltenen Schluff- und Tonanteile mit Wasser ausgewaschen. Anfallendes Waschwasser wird anschließend aufbereitet und im Kreislauf geführt, um den Wasserbedarf gering zu halten. Lediglich der prozessbedingte Wasserverlust wird durch Zufuhr von Frischwasser – etwa aus Brunnen, Baggerseen oder Flüssen – ausgeglichen, weshalb für die meisten Betriebe eine wasserrechtliche Genehmigung erforderlich ist.

 

In der Prozesswasseraufbereitung erfolgt die Entfernung der Feinpartikel durch Sedimentation in großen Absetzbecken, Klärtanks oder Schrägklärer mit anschließender Entwässerung. Hier wird durch Zugabe polymerer Flockungsmittel (pFM) die Agglomeration der Feinstoffe zu größeren Partikeln und damit die Sedimentationsgeschwindigkeit und das Entwässerungsverhalten verbessert. Stand der Technik ist hierfür seit Jahren der Einsatz synthetischer, hochmolekularer polymerer Flockungsmittel, die im geringen Ausmaß (herstellungsbedingt nicht polymerisiertes) Acrylamid als Rest-Monomer enthalten.

 

1 Quo vadis – Verschärfte Anforderungen an Umweltstandards

Gesetzliche Vorschriften legen immer strengere Richtlinien an die Verwendung von Chemikalien im Umweltbereich an. Die EU-Trinkwasserrichtlinie, die mit Ende einer 2-jährigen Übergangsfrist per 12. Januar 2023 in Kraft trat und die EU-Staaten zur Umsetzung neuer Anforderungen an die Qualität von Trinkwasser verpflichtet, setzt den Grenzwert für den Acrylamid-Gehalt von Trinkwasser auf 0,1 µg/l fest, da Acrylamid lt. WHO als „krebserregend“ eingestuft ist. Zusätzlich legen die Normen EN 1407:2008 [2] und EN 1410:2008 [3] beim Einsatz Polyacrylamid-haltiger pFM den maximal zulässigen Rest-Monomergehalt auf < 200 ppm fest.

 

2 Kies- und Sandwäsche mit polymeren Flockungsmitteln (pFM)

Im Zuge eines Projektes einer neuen Nass-Siebanlage mit integrierter Prozesswasser-Aufbereitung äußerte die Behörde hinsichtlich der Verwendung konventioneller Flockungsmittel Bedenken: Es ist sicherzustellen, dass bei einem plötzlichen Wasseraustritt (wie z.B. aufgrund einer Leckage) bei der Prozesswasser-Aufbereitungsanlage die Konzentration an Acrylamid entsprechend der EU-Trinkwasserrichtlinie nicht überschritten wird. Da jedoch hinsichtlich der Anreicherung von Acrylamid im Kreislaufwasser von Nass-Siebanlagen keine einschlägige Literatur verfügbar ist, wurde die Biomontan Produktions- und Handels GmbH vom Projektantragsteller mit der diesbezüglichen Untersuchung beauftragt.

 

3 Überprüfung der Anreicherung von Acrylamid im Kreislaufwasser

Mit den aktuell verfügbaren Produkten mit Trinkwassergenehmigung (geringer Anteil an nicht polymerisiertem Acrylamid) wird der Grenzwert lt. EU-Trinkwasserverordnung bei einem einmaligen Einsatz gut eingehalten. In der Praxis wird das Prozesswasser jedoch mehrmals recycelt, um die Frischwassermenge möglichst gering zu halten, wobei bei jedem Kreislauf für verbesserte Sedimentation ein Flockungshilfsmittel zudosiert wird. Dieses wird zwar größtenteils in den abgetrennten Feststoffen gebunden, verbleibt aber zu einem geringen Teil auch im Kreislaufwasser. Dadurch kann es – theoretisch – zu einer zunehmenden Anreicherung von Acrylamid im Waschwasser kommen.

 

Um das tatsächliche Ausmaß dieser Anreicherung zu überprüfen, wurde die Kreislaufführung des Prozesswassers im Labor nachgebildet: 10 l Waschwasser wurde mittels Zugabe von 2 ppm (2 g/m³) eines pFM mit Trinkwasserzulassung geflockt und sedimentiert. Nach der Sedimentation wurde die Klarwasserphase dekantiert, mit Frischwasser wieder auf das ursprüngliche Volumen aufgestockt (ca. 4 % Frischwasser) und mit Feinsediment versetzt, sodass die Trockensubstanz erneut bei ca. 4 % lag. Anschließend wurde durchmischt und wiederum mit 2 ppm pFM geflockt. Dieser Vorgang wurde 25-mal wiederholt, sodass das Kreislaufwasser theoretisch am Ende komplett durch Frischwasser ersetzt war. Von jeder fünften Wiederholung (Wiederholung 5, 10, 15, 20 und 25) wurde eine Probe entnommen und der Acrylamid-Gehalt in einem akkreditierten Analyselabor mittels HPLC-MS (Hochleistungs-Flüssigkeits-Chromatografie mit Massen-Spektrometrie) analysiert.

 

Die Laborversuche haben gezeigt, dass bei einer einmaligen Dosierung (2 g pFM/m³) der Acrylamid-Gehalt im Kreislaufwasser unter 0,02 µg/l bleibt, jedoch wird bereits ab dem fünften Kreislaufschritt der Grenzwert von Acrylamid von 0,1 µg/l lt. EU-Trinkwasserrichtlinie überschritten. Nach 25 Wiederholungen und dem vollständigen Austausch mit Frischwasser lag der Wert mit 2,4 µg/l weit darüber (Bild 1).

 

4 Alternativen?

Seit einigen Jahren sind verschiedenste stärkebasierte Flockungsmittel auf dem Markt, die aber aufgrund des deutlich höheren Verbrauchs und der schlechteren Leistung gegenüber konventionellen Flockungsmitteln bisher nur selten tatsächlich zum Einsatz kommen. Trotz ständiger Weiterentwicklung und intensiver Forschung bleiben die derzeit verfügbaren Flockungsmittel auf der Basis nachwachsender Rohstoffe in ihrer Leistung immer noch hinter den herkömmlichen Poly-acrylamiden zurück [1].

 

Daher ist die Firma Biomontan einen anderen Weg gegangen. Seit 2022 bietet sie ein neues Flockungsmittel mit der Bezeichnung M-FLOC® DAF 800 an, welches kein Poly-acrylamid enthält und dennoch in seiner Performance mit konventionellen Produkten vergleichbar ist.

 

5 PNEC-Wert

Als PNEC (predicted no effect concentration) bezeichnet man die vorausgesagte Konzentration eines in der Regel umweltgefährlichen Stoffes, bis zu der sich keine Auswirkungen auf die Umwelt zeigen. Solange die Konzentration in der Umwelt unter diesem Wert bleibt, sollten sich keine negativen Effekte zeigen. Für Acrylamid liegt der PNEC im Süßwasser bei 30 µg/l, für das Monomer des neuen pFM bei 2000 µg/l (Tabelle 1). Das bedeutet, dass eine deutlich höhere Konzentration in der Umwelt als nicht schädlich bewertet wird.

 

Das herausragende Merkmal des Acrylamid-freien Flockungsmittels M-FLOC® DAF 800 liegt darin, dass anstelle des umweltschädlichen Acrylamids ein alternatives Monomer als Grundbaustein verwendet wird. Derzeit sind noch keine Grenzwerte für dieses Monomer definiert, aber der PNEC-Wert für dieses Monomer liegt fast 100fach höher als jener für Acrylamid. 

 

6 Wie gut funktioniert das Produkt?

In klassischen Sedimentationsversuchen wurden Flockungsverhalten und Absetzgeschwindigkeiten mit verschiedenen Flockungsmitteln untersucht. Das Acrylamid-freie Flockungsmittel wurde mit konventionellem und mit Stärke-basiertem Flockungsmittel verglichen. Vorherige Versuche haben bereits ergeben, dass Biopolymere eine vielfach höhere Einsatzmenge als konventionelle Flockungsmittel (8 – 10fache Menge) erfordern. Im Vergleich dazu war die Dosiermenge von M-FLOC® DAF 800 deutlich geringer (Tabelle 2).

 

In der Sinkgeschwindigkeit des behandelten Waschwassers, die für die Behandlung in Sedimentationsbecken von essenzieller Bedeutung ist, zeigt sich der große Vorteil von M-FLOC® DAF 800 gegenüber einem Stärke-basierten pFM. Obwohl das Absetzen des Schlamms etwas langsamer erfolgt, ist das Sediment nach 25 Sekunden auf 180 ml und somit auf 18 % des Ausgangsvolumens abgesunken. Im Vergleich dazu war der Wert mit dem Acrylamid-haltigen pFM bei 120 ml bzw. 12 % und dem Stärke-basierten pFM auf 500 ml bzw. 50 % (Bild 3). Des Weiteren war auch die Trübung nach der Behandlung mit M-FLOC® DAF 800 deutlich geringer als mit dem pFM auf Basis von Stärke (Bild 4).

 

Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass mit dem Acrylamid-freien Produkt zwar mit einer etwas höheren Einsatzmenge und einigen Abstrichen bei der Performance zu rechnen sind, diese aber in einem vertretbaren Maß bleiben. Im Herbst 2023 sind Feldversuche bei zwei Kieswerken geplant, wo die technische Leistungsfähigkeit des Produkts M-FLOC® DAF 800 erprobt werden soll. 

Literatur

[1] Marvin Kothe und Stephan Lenk (2019): Einsatz alternativer, biologisch abbaubarer Flockungsmittel auf Basis nachwachsender Rohstoffe zur Reinigung von Kieswaschwasser in Kiestagebauen; Abschlussbericht Erftverband

[2] EN 1407:2008

[3] EN 1410:2008

Autoren:

Dr. Brigitte Auer, Consulting in Microbiology & Chemistry

Ing. Christian Zuschrader, Business Unit Manager Umwelttechnik & Anaerobie

Biomontan Produktions und Handels GmbH

www.biomontan.com

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