Neues Verfahren zur Gewinnung von Gipsprodukten aus dem Kalibergbau
Die Gewinnung von Calciumsulfatprodukten aus dem Kalibergbau kann in Zukunft eine Möglichkeit darstellen, Gips aus einer sekundären Rohstoffquelle zu gewinnen. Die nötigen Grundlagen hierfür werden aktuell im Rahmen des Forschungsvorhabens PolyGips (gefördert vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) im Förderprogramm „WIR! – Wandel durch Innovation in der Region“) erarbeitet. Die Entwicklung eines Aufbereitungsverfahrens mit anschließender labortechnischer Untersuchung des erzeugten Probenmaterials sind dabei zentraler Bestandteil des Forschungsprojektes. Entscheidend ist die Qualität des hergestellten Gipses, da diese den weiteren Verwertungsweg und die Wirtschaftlichkeitsbetrachtung des entwickelten Aufbereitungsprozesses beeinflusst.
1 Einleitung
Mit dem Ausstieg aus der Kohleverstromung und des damit verbundenen Wegfalls des Gipses aus Rauchgasentschwefelungsanlagen (REA-Gips) in Deutschland sieht sich die gipsverarbeitende Industrie vor eine große Herausforderung gestellt. Grund hierfür ist, dass in der Vergangenheit bis zu 55 % des deutschen Gipsbedarfes durch REA-Gips gedeckt wurde [1]. Für die sich öffnende „Gipslücke“ müssen Alternativen gefunden werden, um den bestehenden Rohstoffbedarf nicht ausschließlich durch einen gesteigerten Einsatz von Naturgips zu befriedigen. Auch wenn die grundsätzliche Verknappung der Ressource Gips kurzfristig aufgrund des aktuellen geopolitischen Handelns in einem temporären Zeitraum entschärft werden kann, so wird an den ursprünglichen Plänen Deutschlands, dem Ausstieg aus der Kohleverstromung und der damit einhergehenden Dekarbonisierung, festgehalten werden [2].
Aktuell werden auf Bundes- und Landesebene eine Vielzahl von Forschungsaktivitäten durchgeführt, um kurz-, mittel- und langfristige innovative Lösungen zur Steigerung der Bereitstellung von Recyclinggipsen (RC-Gipsen) sowie Gipsen aus alternativen Rohstoffquellen zu finden. Genannt seien hier z.B. das WIR!-Bündnis „Gipsrecycling als Chance für den Südharz“ [3] sowie der Thüringer Forschungsverbund „Ressourcenmanagement und nachhaltiges Bauen“ [4]. Das WIR!-Bündnis „Gipsrecycling als Chance für den Südharz“ wird im Förderprogramm „WIR! – Wandel durch Innovation in der Region“ vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert. Die vier Verbundprojekte im Thüringer Forschungsverbund „Ressourcenmanagement und nachhaltiges Bauen“ werden mit Mitteln des Freistaates Thüringen realisiert.
Auch die Untersuchung alternativer Gipsquellen steht im Fokus der Forschenden. Die Nutzung technischer Gipse in der Gipsindustrie ist etabliert. So werden bereits heute Gipse aus industriellen Prozessen, z.B. aus der Citronensäure-, Flusssäure-, Milchsäure- und Weinsteinsäureproduktion, genutzt. Das Gesamtaufkommen synthetischer Gipse aus chemischen oder technischen Prozessen ist derzeit allerdings auf einem geringen Niveau von ca. 35 000 t/a [5; 6].
Daher werden weitere Industrieprozesse als alternative Quellen zur Gewinnung von Gips als Nebenprodukt gesucht. Hier setzt das Forschungsprojekt „Gewinnung von Gipsprodukten aus dem Kalibergbau“ mit dem Akronym PolyGips an. Das Projekt wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) im Förderprogramm „WIR! – Wandel durch Innovation in der Region“ mit dem Förderkennzeichen: 03WIR0307 (Laufzeit: 11/2020 bis 10/2023) gefördert. Im Rahmen des Verbundvorhabens der K-UTEC AG SALT TECHNOLOGIES und der Hochschule Nordhausen/ThIWert bearbeiten die Projektpartner die Fragestellung, ob sich Gips als Nebenprodukt bei der Kaliaufbereitung gewinnen lässt. Im Speziellen wird hierbei das Mineral Polyhalit untersucht, das sich aus den Verbindungen Kalium-, Magnesium- und Calciumsulfat zusammensetzt.
2 Forschungsprojekt PolyGips
Das übergeordnete Ziel des Projektes PolyGips ist es, die Gewinnung von Gips aus einer bisher ungenutzten sekundären Gipsquelle, dem Mineral Polyhalit, zu untersuchen. Es soll geprüft werden, ob es möglich ist, mittels eines neu entwickelten Aufbereitungsverfahrens, Gips aus dem Polyhalit zu extrahieren und dieses einer höherwertigen Verwertung in der gipsverarbeitenden Industrie zuzuführen. Bild 1 gibt einen Überblick über die Arbeitspakete und den Ablauf des Projektes.
2.1 Aufbereitung des Minerals Polyhalit
Die nach aktuellem Stand der Technik angewendeten Aufbereitungsverfahren sehen lediglich eine mechanische Aufbereitung des Polyhalites vor. Dabei wird das Mineral auf eine Korngröße von < 2 mm zerkleinert und als Langzeit-Düngemittel in der Landwirtschaft eingesetzt. Der gewünschte Düngeeffekt wird insbesondere durch das enthaltene Kalium- und Magnesiumsulfat erzielt. Das beinhaltete Calciumsulfat spielt dabei nur eine unwesentliche Rolle.
Das neu entwickelte Aufbereitungsverfahren zielt darauf ab, Kaliumsulfat als Düngemittel und Calciumsulfat als Nebenprodukt zu gewinnen. Bild 2 zeigt ein vereinfachtes Fließbild des angestrebten Aufbereitungsverfahrens.
Der neue Aufbereitungsprozess sieht verschiedene Prozessschritte vor:
Zunächst sollen ggf. vorhandene, nicht relevante Minerale aus dem Rohsalz abgeschieden werden. Zur Lösung der chloridischen Bestandteile (insbesondere Natrium- und Kaliumchlorid) erfolgt zunächst eine Kaltlaugung, welcher sich ein Heißlöseprozess zum Herauslösen der leicht löslichen Sulfate anschließt. Der verbleibende Laugungsrückstand, welcher im Wesentlichen aus Polyhalit, Anhydrit und geringen Mengen anderer unlöslicher Komponenten besteht, dient als Basis für die weitere Verarbeitung.
Anschließend erfolgt die thermische Aktivierung des Polyhalites zur Erhöhung der Löslichkeit in Wasser.
Nach einer weiteren Heißlaugung verbleibt ein calciumsulfathaltiger Rückstand.
Den Abschluss des Aufbereitungsprozesses bilden mehrere Reinigungsdurchläufe bis hin zu einem fertigen Calciumsulfatprodukt.
Die aus dem Aufbereitungsprozess resultierenden Prozessparameter, wie z.B. Calzinierungstemperatur und Verweilzeit, haben zugleich einen wesentlichen Einfluss auf die Qualität des späteren Calciumsulfatproduktes. Weitere einflussgebende Prozessgrößen sind die Laugungsbedingungen während der Heiß- und Kaltlaugungsschritte. Zuletzt soll die Bildung möglicher Doppelsalze, wie z.B. des Syngenits (K2SO4 x CaSO4 x H20), analysiert und möglichst verhindert werden. Das Entstehen des Doppelsalzes während der Aufbereitung wäre hinderlich, da es die Ausbringungsrate der in Bild 2 aufgezeigten Produkte Kaliumsulfat (K2SO4) und Gips (CaSO4) negativ beeinflussen könnte.
2.2 Labortechnische Untersuchungen des Probenmaterials
Die Untersuchung des Probenmaterials stellte neben der Entwicklung des Aufbereitungsprozesses eine weitere zentrale Aufgabe der Projektbearbeitung dar. Zu Beginn der Laborarbeiten bestand die Aufgabe, vergleichbare Anforderungsparameter zu definieren. Hierfür wurden die Referenzwerte, welche durch den Bundesverband der Gipsindustrie im Merkblatt „Erstprüfung für Recyclinganlagen, Qualitätsmanagement, Qualitätsanforderungen und Analyseverfahren“ (Stand 06/2020) [7] definiert wurden, als Grundlage herangezogen.
Bild 3 zeigt das im Aufbereitungsprozess hergestellte Calciumsulfatprodukt aus dem Mineral Polyhalit, welches dem Kalibergbau entstammt. Durch ausgewählte Analysemethoden wurde das Material untersucht und mit den definierten Qualitätsparametern abgeglichen.
Im Rahmen der labortechnischen Analyse erfolgte die Bestimmung des Reinheitsgrades und Feuchtegehaltes sowie die Untersuchung von Fremdmineralen, wie Kalium-, Magnesium- und Natriumsalzen. Tabelle 1 gibt einen Überblick über die eingesetzten Methoden zur Untersuchung der Parameter.
Die bislang erzielten Ergebnisse zeigen, dass das Calciumsulfatprodukt, welches aus dem Mineral Polyhalit mittels innovativem Aufbereitungsprozess gewonnen wurde, eine gute Gips-Qualität und damit ein hohes Verwertungspotenzial erwarten lässt. Mit Blick auf den hohen Reinheitsgrad wird deutlich, dass der gewonnene Gips prinzipiell die Voraussetzungen für stoffliche Verwertungen hat. Die als hoch einzuordnende Reinheit des Materials von größer gleich 96 % erlaubte es, die Verwendung des vom Bundesverband herangezogenen Spezifikationsparameters Reinheit (85 %) zu prüfen und anzupassen. Mit Blick auf die Praxis wurde daher der angestrebte Referenzwert auf 95 % hochgestuft, was in etwa dem Reinheitsgrad des REA-Gipses entspricht [8]. Der ermittelte geringe Feuchtegehalt sowie die gemessene Korngrößenverteilung (Medianwert: 18,56 μm) sind für den Gebrauch ebenso positiv zu bewerten. Dahingegen besteht noch Optimierungsbedarf hinsichtlich vorhandener Fremdminerale, wie bspw. Magnesium- und Kaliumsalze. Eine Reduktion der Fremdminerale kann ggf. durch eine weitere Anpassung des Aufbereitungsprozesses erzielt werden. Eine Auswahl der Laborergebnisse ist in Tabelle 2 dargestellt.
3 Ausblick
Die verbleibende Projektbearbeitungszeit steht im Fokus abschließender Laboruntersuchungen und der Untersuchung potenzieller stofflicher Verwertungsmöglichkeiten des aus dem Polyhalit gewonnenen Gipses. Weiterhin ist eine Wirtschaftlichkeitsbetrachtung in Bezug auf den erweiterten Aufbereitungsprozess und der dafür benötigten Energie geplant. Zudem ist die Prüfung der Übertragbarkeit des entwickelten Aufbereitungsverfahrens auf weitere Lagerstätten integraler Bestandteil des Projektes. Eine potenziell wirtschaftliche Gewinnung von PolyGips sowie die Übertragbarkeit des Aufbereitungsprozesses auf weitere nationale und internationale polyhalitische Lagerstätten (z.B. in Großbritannien und Osteuropa) sind Voraussetzungen für eine Nutzung des Minerals Polyhalit als sekundäre Gipsrohstoffquelle.
Literatur
[1] VDPM Verband für Dämmsysteme, Putz und Mörtel e.V. und Bundesverband der Gipsindustrie e.V.: Pressemitteilung: Rohstoffversorgung mit Gips muss schon jetzt gesichert werden, https://www.vdpm.info/2020/rohstoffversorgung-mit-gips-muss-schon-jetzt-gesichert-werden/, zuletzt abgerufen am 12.09.2022
[2] Susanna Zdrzalek, WDR: „Kohlekraftwerke Heyden 4 wieder am Netz“, 29.08.2022: https://www.tagesschau.de/wirtschaft/unternehmen/steinkohle-kraftwerk-heyden-netz-101.html, zuletzt abgerufen am 12.09.2022
[3] Katrin Schmidt et al., Gipsrohstoffquellen – Innovative Forschungsansätze zum Gipsrecycling, AT 04/2022, S. 58-65, https://www.at-minerals.com/de/artikel/at_Innovative_Forschungsansaetze_zum_Gipsrecycling_3752884.html, zuletzt abgerufen am 23.11.2022
[4] Freistaat Thüringen, Ministerium für Wirtschaft, Wissenschaft und Digitale Gesellschaft: 6 Millionen Euro für weiteren Ausbau des Forschungsverbundes „Nachhaltiges Bauen und Ressourcenmanagement“, https://wirtschaft.thueringen.de/ministerium/presseservice/detailseite-1/6-millionen-euro-fuer-weiteren-ausbau-des-forschungsverbundes-nachhaltiges-bauen-und-ressourcenmanagement, zuletzt abgerufen am 24.11.2022
[5] Bundesverband Baustoffe – Steine und Erden e.V.: Die Nachfrage nach Primären und Sekundären Rohstoffen der Steine-Erden-Industrie bis 2040 in Deutschland, https://www.baustoffindustrie.de/fileadmin/user_upload/bbs/Bilder/Aktuelles/2022-04-20_BBS_Rohstoffstudie_01_ONLINE.pdf, zuletzt abgerufen am 21.09.2022
[6] Grüne Liga e.V.: Gips Rohstoff und Lebensraum – Hintergründe, Herausforderungen und Perspektiven, https://www.grueneliga.de/images/gips-broschuere_web.pdf, zuletzt abgerufen am 23.09.2022
[7] Bundesverband der Gipsindustrie e.V.: Erstprüfung für Recyclinganlagen, Qualitätsmanagement, Qualitätsanforderungen und Analyseverfahren, https://www.gips.de/fileadmin/user_upload/aktuelles/Qualitaetsempfehlungen_Gipsrecycling_Analyseverfahren_Stand_Juni_2020.pdf, zuletzt abgerufen am 5.10.2022
[8] Euro Gypsum: FGD Gypsum quality criteria and analysis methods, http://www.eurogypsum.org/wp-content/uploads/2015/04/EUROGYPSUMBD2.pdf, zuletzt abgerufen am 8.11.2022
Autor
Simon Ballüer, Thüringer Innovationszentrum für Wertstoffe (ThIWert), Abteilung Baustoffrecycling,
Gipsrecycling und Gipsersatzbaustoffe an der Hochschule Nordhausen
www.hs-nordhausen.de/forschung/thiwert/
Weitere Autoren
Florian Hubert, M.Eng., K-UTEC AG SALT TECHNOLOGIES
Dr. Simon Eichhorn, ThIWert
Prof. Dr. Ariane Ruff, Leiterin ThIWert, Professur Urbane Ressourcen